Süddeutsche Zeitung

Haidhausen:700 Bürger bei Versammlung zur zweiten Stammstrecke

  • Die erste außerordentliche Bürgerversammlung war geplatzt, weil der Saal zu klein war. Nun wollen in der Tonhalle 700 Menschen darüber sprechen, was der Bau der Zweiten Stammstrecke für die Bürger bedeutet.
  • Die Stimmung ist ein wenig gereizt, die Bedenken werden jedoch in gemäßigtem Ton vorgetragen.
  • Oberbürgermeister Dieter Reiter verspricht, den Flurschaden möglichst gering zu halten.

Von Andreas Schubert

Nun hat es doch geklappt mit dem gemeinsamen Termin. Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sitzen am Donnerstagabend in der Tonhalle vor den Haidhausern, um mit ihnen über die geplante zweite Stammstrecke zu reden, und was der Bau für die Bürger bedeutet.

Zirka 700 Besucher sind gekommen. Die erste außerordentliche Bürgerversammlung war geplatzt, weil der Saal im Hofbräukeller zu klein war. Nun also eine Halle, die sonst nur bei hochklassigen Konzerten voll wird. Schon eine Stunde vor Beginn stehen die Gegner des Tunnels am Eingang und verteilen Flyer, auch im Saal machen sie mit Zwischenrufen auf sich aufmerksam. Die Stimmung ist ein wenig gereizt, aber Reiter behält als Gastgeber die Ruhe, ebenso Herrmann und der Projektleiter des Stammstreckenbaus, Markus Kretschmer.

Man merkt den Leuten an, dass sie unsicher sind, was genau auf sie zukommt. So viel steht fest: Kein anderer Stadtteil Münchens wird von dem Tunnelbau derart belastet werden wie Haidhausen. Bahn-Mann Kretschmer gibt noch einmal einen Überblick über die Bauarbeiten. Er hat nur fünf Minuten Zeit, denn einer der Anführer der Stammstreckengegner, Walter Heldmann, stellt ganz zu Beginn einen Antrag, dass die Redezeit nicht nur für die Bürger fünf Minuten betragen soll, sondern auch für die Menschen auf dem Podium. Minister Herrmann kontert: "Ich muss gar nichts reden, dann beantworte ich nur die Fragen." Er meint aber auch: "Es ist das Richtige, den Tunnel zu bauen."

Gebaut wird vom kommenden Jahr an bis voraussichtlich 2026. Der größte Einschnitt ist die riesige Baugrube am Orleansplatz, wo die unterirdische Station mit Verbindung zum Ostbahnhof entsteht. 2018 beginnen die Vorarbeiten mit Leitungsverlegungen, 2019 wird angefangen, zu graben. Der komplette Orleansplatz wird hinter einer vier Meter hohen Lärmschutzwand verschwinden.

Am Busbahnhof wird 2020 dann noch ein Schacht gegraben. Baugruben sind auch für die Rettungsschächte unumgänglich: Einer entsteht in den Maximiliansanlagen, wo auch ein Abzweig zur bestehenden Stammstrecke geplant ist. Hier soll von 2019 bis 2024 gebaut werden, die dortige Schulsportanlage verschwindet. Ein weiterer Rettungsschacht ist an der Ecke Pütrichstraße/Milchstraße vorgesehen - sehr nahe an der bestehenden Wohnbebauung, die eingerüstet werden muss, damit die Feuerwehr im Brandfall eingreifen kann.

Weil die Kellerstraße als Zufahrt für die Baulastwagen dient, sorgen sich viele Anwohner auch um die Sicherheit auf der bislang eher ruhigen Straße. Das sind die Bedenken der Bürger, die im Großen und Ganzen in gemäßigtem Ton vorgetragen werden. Manche sorgen sich um die Statik ihrer Häuser, andere darum, dass für Kinder künftig weniger Sport- und Spielflächen zur Verfügung stehen. Andere erinnern an den Bau des umstrittenen Tiefbahnhofs in Stuttgart, artikulieren ihren Vertrauensverlust in die Politik. Besonders die Vertreter der Bürgerinitiative Haidhausen betonen einmal mehr, dass der Südring doch besser und der Tunnel eine Fehlplanung sei.

Dieter Reiter erinnert dennoch daran, dass es Mehrheiten für den Tunnel gibt und dass dieser notwendig sei. "Es ist wichtig, dass wir jetzt loslegen", sagt der OB. Sein Versprechen: Den Flurschaden möglichst gering zu halten. Zu sagen, dass niemand belastet werde, "da müsste man Märchenonkel sein, und das bin ich nicht".

Angesichts vieler Bedenken der Besucher zum Brandschutz soll die Bahn auf Reiters Anregung hin eine Veranstaltung zum Thema Sicherheit im Tunnel abhalten.

Ob Verkehrsminister Herrmann ebenso keine Märchen erzählt, wird sich im Sommer zeigen: Dann will er ein Konzept für den S-Bahn-Ausbau jenseits des Tunnelprojekts vorlegen.

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Quelle:
SZ vom 19.05.2017
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