Hagelunwetter 1984:Tragflächen großer Boeings wurden durchlöchert

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Auf dem Flughafen München-Riem und dem Werksflughafen Oberpfaffenhofen demolierte der Hagel insgesamt 150 Flugzeuge. Die Tragflächen großer Boeings wurden durchlöchert, bei vielen kleinen Sportflugzeugen durchschlugen die Eisgeschosse die Kabinenfenster und ramponierten das Cockpit.

Zum Symbol für das Münchner Hageldesaster aber avancierten die mit Dellen übersäten Autos, deren Karosserie der Oberfläche eines Knäckebrots glich. Mehr als 200 000 Fahrzeuge wurden zerbeult, und noch jahrelang sah man Autos, in die der Hagel ein Lochmuster gestanzt hatte, das als München-Look im ganzen Land berühmt wurde.

Eines dieser übel zugerichteten Fahrzeuge gehörte dem Kfz-Meister Michael Siebert. Der damals noch junge Mann spielte nebenher als Bassist in einer Band, und diesem Hobby entsprechend hatte er seinen schwarz lackierten VW Passat Kombi aufgestylt. Auf der Kühlerhaube prangte ein mit einer Airbrushpistole aufgesprühter Kontrabass, auch die kleine Plastikfigur eines Schlumpfs gehörte zur Außendekoration dieses einzigartigen Autos. Am Abend des 12. Juli weilte Siebert in einem Keller in Gräfelfing, um mit seiner Band ein paar neue Stücke zu proben.

Nach dem Hagelschlag vom 12.07.1984 in München

Nach dem Unwetter standen viele Straßen unter Wasser.

(Foto: AP)

"Endlich Geld von der Versicherung"

"Zwischendurch haben wir gehört, dass es prasselt und kracht, aber wir haben uns nichts dabei gedacht." Also feilte man weiter am Repertoire, während draußen die Bäume entlaubt wurden und die Gullys überliefen. Als die Musiker dem Keller endlich entstiegen, mussten sie zur Kenntnis nehmen, dass das sonst so ordentliche Würmtal gehörig in Unordnung geraten war. Sieberts Passat im Kontrabass-Design hatten die Schloßen böse zerdengelt.

Doch keine Spur von Ärger, Wut oder gar Verzweiflung. "Ich hab' mich gefreut", sagt der Kfz-Meister. "Endlich Geld von der Versicherung." Das hat der Autobastler dann auch kassiert und den Schaden selbst repariert. Und ein paar Reparaturaufträge sprangen auch noch heraus, demolierte Autos, die in die Werkstatt mussten, waren ja reichlich vorhanden.

Es gibt historische Ereignisse, Katastrophen zumeist, die sich ins kollektive Gedächtnis eingraben. Viele ältere Menschen wissen noch genau, wo sie waren, als sie am 22. November 1963 die Nachricht von der Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy erfuhren. Ähnlich präsent sind der Fall der Mauer oder der Terroranschlag auf das World Trade Center in New York. Derart epochal ist der Münchner Hagelsturm selbstverständlich nicht - und doch weiß beinahe jeder, der den sogenannten Jahrhunderthagel erlebt hat, wo er im Augenblick des Unwetters war.

Der Sendlinger Herbert Burger beispielsweise saß mit Freunden im Biergarten der Gaststätte Münchner Haupt. Es war ein schwülwarmer Sommerabend, der ein plötzliches Ende fand. Burger überstand das Eis-Bombardement auf dem Boden kauernd unter dem Biertisch. Die SZ-Feuilletonistin Eva-Elisabeth Fischer weilte in der Kleinen Komödie - ein Theaterabend, der eine unerwartete Wendung nahm, als ein Wasserschwall durch die Seitenwand brach. Der Journalist Karl Forster hatte Nachtdienst in der Redaktion der Abendzeitung. Währenddessen machte der Hagel seinen schönen Alfa Romeo zum Totalschaden.

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