Hadern:Zu viel Porzellan zerschlagen

Gebrauchtwarenhaus "Halle 2" in München, 2016

Vorbild Halle 2: Ein Gebrauchtwarenkaufhaus wie in Pasing, hier zu sehen, würden sich auch die Haderner Lokalpolitiker wünschen.

(Foto: Johannes Simon)

Der Bezirksausschuss regt an, nahe dem Wertstoffhof an der Tischlerstraße ein Gebrauchtwarenkaufhaus samt Repair-Café einzurichten

Von Jutta Czeguhn, Hadern

Wenn Gäste kommen, braucht es für ein harmonisches Tischbild mindestens ein zwölfteiliges, aber in jedem Fall ein sechsteiliges Service. So oder ähnlich hieß es wohl mal im Ratgeber für die moderne, perfekte Hausfrau der Fünfzigerjahre. Heute sieht man an Kaffeetafeln hingegen gerne mal was Zusammengewürfeltes, Omas Bayrisch Blau aus der oberpfälzischen Porzellan-Manufaktur kombiniert mit Steingut aus China oder Flohmarktfunden. Der Wandel in den Tischsitten ist allerdings nicht der Grund, weshalb die Grünen und die FDP im Bezirksausschuss Hadern sich an Anweisungen wie "zur Wiederverwendung kommen nur vollständige sechsteilige Service" auf dem Wertstoffhof Tischlerstraße stören. In einem Antrag an das städtische Kommunalreferat vom April, der auch Zustimmung im Gremium erhielt, forderten sie, dass das Konzept des Wertstoffhofes generell überdacht werden soll und in der Nähe der Sammelstelle ein Gebrauchtwarenkaufhaus samt Repair-Café entstehen soll. Ein Antrag, mit dem die Haderner beim zuständigen Abfallwirtschaftsbetrieb auf "offene Ohren" stoßen. So formuliert es zumindest Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) in ihrem Antwortschreiben.

Aus Gründen der Nachhaltigkeit sollten am Wertstoffhof nicht länger tadelloses Geschirr, Trinkgefäße und Bleikristall von den städtischen Angestellten zerschlagen werden, hatte es im Antrag geheißen. Mit den Dingen ließe sich durchaus noch etwas anfangen. Viele Menschen, nicht nur jene mit geringeren finanziellen Möglichkeiten, würden das unkonventionelle Vermischen von Stil-, Alters-, Muster- und Farbrichtungen praktizieren. Beim Wiederverwerten zu hohe Anforderungen an Qualität und Einheitlichkeit anzulegen, sei also gar nicht notwendig, empfehlen die Haderner Lokalpolitiker, und meinen damit gewiss nicht nur ihren Wertstoffhof an der Tischlerstraße.

Kommunalreferentin Frank holt in ihrer Antwort erst mal weit aus und erinnert an Münchens ehrgeiziges Ziel, gesetzt im Juli 2020, eine "Zero-Waste-City" zu werden. Deshalb habe der Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) auch den Auftrag bekommen, die ersten Schritte zur Umsetzung einer Kreislaufwirtschaftsstrategie und eines Zero-Waste-Konzepts zu entwickeln. "Ein großer Teil der Circular Economy- und Zero Waste-Transformation fängt dabei mit Abfallvermeidung an und setzt einen Fokus auf das Thema Wiederverwendung", schreibt Frank und nennt das städtische Gebrauchtwarenhaus, die "Halle 2" in Pasing, das seit mittlerweile 20 Jahren diese Idee verfolgt. Der AWM sei aktuell damit befasst, flexible, kostensparende und partnerschaftliche Kooperationsmodelle zu entwickeln, "um das Themenfeld rund um die Vorbereitung zur Wiederverwendung und Kreislaufwirtschaft noch breiter in der Stadtgesellschaft zu verankern und auch den Aspekt des Reparierens darin einzu betten". Frank spricht davon, noch mehr Münchnerinnen und Münchnern den Zugang zu Gebrauchtwaren durch über das gesamte Stadtgebiet verteilte Standorte zu erleichtern. Dazu brauche es jedoch Konzepte und neue Strukturen, an denen derzeit gearbeitet werde. Man werde die im Antrag thematisierten Aspekte in Bezug auf den Wertstoffhof Tischlerstraße im "Entwicklungsprozess berücksichtigen".

Grundsätzlich muss der Weg zunächst laut Frank über eine "ansprechende und gut wahrnehmbare Kundenkommunikation" und eine unkomplizierte und kundenfreundliche Infrastruktur an den Wertstoffhöfen führen. Sprich, man müsse es für die Menschen leichter machen, gut erhaltene Gegenstände abzugeben. Das Personal müsse bei den Qualitätsprüfungen angehalten werden, auch Gegenstände mit kleinen Schönheitsfehlern anzunehmen.

Allerdings, und dann kommt der Dämpfer für die Haderner, was ihre Forderung nach einem eigenen Gebrauchtwarenhaus angeht: "Um die mit einem festen Gebäude und Personalbestand verbundenen, hohen Fixkosten zu umgehen, die den gleichen Nutzen versprechen", denke die Stadt an die Option von kostengünstigen Zwischennutzungen, beispielsweise Pop-up-Stores. Eine Halle 2 wie in Pasing, so ist zu befürchten, wird es an der Tischlerstraße wohl eher nicht geben.

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