Hadern/Laim:Abschied von einer Vision

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Einhausung der Lindauer Autobahn scheitert an Kosten von fast einer halben Milliarde Euro

Von Berthold Neff und Andrea Schlaier

Außer Spesen nichts gewesen: Die Stadt hat sich von der Vision verabschiedet, die Lindauer Autobahn zu überdeckeln, um so die Menschen in Sendling-Westpark, Laim und Hadern vor dem Lärm und den Abgasen der Verkehrslawine zu schützen. Stadtbaureferentin Elisabeth Merk begründet die Absage, über die demnächst der Stadtrat abstimmen soll, mit den "exorbitanten Baukosten" dieses Projekts. Einer Vorstudie zufolge würde jeder Meter einer Einhausung mit ungefähr 113 000 Euro zu Buche schlagen. Bei einer Strecke von 4,2 Kilometern ergäbe dies 452 Millionen Euro. Die Kosten für die Tieferlegung der Trasse, die notwendigen Brücken, die Zu- und Abfahrtsrampen sowie die Erschließung der neu entstehenden Flächen sind dabei noch nicht eingerechnet. All dies müsste die Stadt alleine bezahlen, denn Baulastträger für die Autobahn ist der Bund - auch für den Abschnitt durch die Stadt.

Die Vorstudie des Gräfelfinger Ingenieurbüros Suess Staller Schmitt liegt bereits seit vier Jahren vor. Das Fazit der Experten wurde danach zur Stellungnahme an die betroffenen Bezirksausschüsse sowie an die Bürgerinitiative BIBAB 96 zugeleitet, wobei sich jedoch schnell abzeichnete, dass die Stadtkämmerei ihre grundsätzlichen Bedenken aufrechterhalten würde. Der Stadtkämmerer verweist nach wie vor darauf, dass der Lärmschutz an Bundesautobahnen keine Aufgabe der Stadt sei, dafür sei der Bund zuständig. Würde die Stadt dies freiwillig übernehmen, entstünde ein Präzedenzfall, "in dessen Folge in Zukunft unabsehbare Kosten auf die Stadt zukämen".

Der Vorstudie zufolge bestehen auch kaum Chancen, das Geld für den Autobahndeckel dadurch hereinzuholen, indem man die neu gewonnenen Flächen entlang der Trasse verwertet. Allenfalls auf der heutigen Bezirkssportanlage westlich des Augustinums wäre eine Bebauung möglich, wenn diese verlagert würde. Auf den Deckel könne man die Sportflächen jedoch nicht verlegen, weil dieser für ein Spielfeld mit Standardmaß zu klein wäre. Zudem wohnen auf dem 4,2 Kilometer langen Abschnitt zwischen Sendling und der Stadtgrenze am Lochhamer Schlag im Schnitt lediglich etwa 5700 Einwohner in einem Abstand von 100 Metern nördlich und südlich der Autobahn. Lediglich im Bereich Blumenau und Laim ist die Einwohnerdichte höher, sie beträgt 1880 Einwohner pro Kilometer.

Das ist im Vergleich zu anderen belasteten Straßen in der Stadt wenig, an der Landshuter Allee sind es 3100 Einwohner pro Kilometer. Deshalb sei die Lindauer Autobahn "hinsichtlich der Betroffenheit von Einwohnerinnen und Einwohnern nicht an oberster Stelle einzuordnen". Deshalb empfiehlt die Stadtbaurätin, das Projekt an der A 96 "ruhen zu lassen".

Im Bezirksausschuss Hadern, der in seiner Juni-Sitzung dazu Stellung nehmen sollte, fand sie für diese Position eine Mehrheit. Lediglich die Grünen stimmten dagegen. "Es fehlt an Visionen", kritisierte Renate Unterberg. Für die SPD sagte Irmgard Hofmann, die recht nah an der Autobahn wohnt: "Ich hätte es auch gern, aber eine halbe Milliarde Euro sind nicht vertretbar." Der SPD-Fraktionssprecher Gerhard Fries gab zu bedenken, dass auch Gräfelfing auf eine große Lösung an der Lindauer Autobahn verzichtet habe, weil die Verwertung neu entstehender Flächen hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei.

Kontrovers diskutiert wurde das Papier auch in Laim. Die SPD-Fraktionssprecherin Martha Mertens sagte, bei ihr hinterlasse es "ein ungutes Gefühl". Sie verstehe, so Mertens, dass die Stadt dies nicht zahlen wolle. "Aber die Leute, die am Schulmeierweg wohnen, sind nun mal betroffen, und wir wissen, dass Lärm krank macht." Heidi Schiller (Grüne) regte an, "dass wir uns von den Verantwortlichen dann eben Alternativen aufzeigen lassen". Aus städtebaulicher Sicht ließen sich "Maßnahmen entwickeln, die die Trennung durch die Autobahn aufheben, so dass man ein schönes Wohngebiet machen kann". Für die CSU schlug Anette Zöllner vor, den Autobahnring Süd als grundsätzliche Entlastungsstrecke wieder mal ins Spiel zu bringen. Die Erkenntnisse der vorliegenden Studie, regte sie außerdem an, sollten in ein künftiges Verkehrskonzept für den Münchner Westen einfließen. Dem Vorschlag schloss sich der gesamte Bezirksausschuss an. Außerdem will das Gremium informiert werden, sobald das Ergebnis der bis Mitte des Jahres laufenden Prüfung eines lärmmindernden Belags vorliegt.

© SZ vom 08.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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