Süddeutsche Zeitung

"Hackathon":Hack deine Schule!

Lesezeit: 3 min

Individuelle Prüfungsfragen und eine App gegen Ablenkung vom Lernen: Beim "Hackathon" wollen Schüler das Lernen zeitgemäßer machen

Von Anna Hoben

Was ist denn da los? 40 Mädchen und Jungen treffen sich, um zu diskutieren, zu programmieren, zu präsentieren. An einem Wochenende. Bei Kaiserwetter. Freiwillig. Wo man doch allerlei schöne Sachen zu tun hätte, bevor einen die Schulglocke am Montag wieder ins Klassenzimmer bimmelt. Und dann dreht sich thematisch auch noch alles um die Schule. Also, was ist da los?

"Hack your school", so hieß die Veranstaltung in der Wayra-Akademie, einer Förderinstitution für Start-ups an der Kaufingerstraße. Es war ein Kongress für Schüler, die etwas verändern wollen im Kleinen und im Großen, im Klassenzimmer und im Bildungssystem; der erste sogenannte Hackathon für Schüler in München. Die Wortschöpfung aus "Hack" und "Marathon" bezeichnet eine Veranstaltung, bei der es darum geht, in Teams nützliche, kreative oder unterhaltsame Software herzustellen. Und ein Marathon ist "Hack your school" wahrlich gewesen: Manche Teilnehmer haben die Nacht von Samstag auf Sonntag durchgemacht, um ihre Präsentationen fertigzustellen.

"Wenn ich bei Google nach Bildern zum Thema Schule suche und auf der ersten Seite die Ergebnisse nur aus Tafel und Kreide bestehen, dann läuft irgendetwas in unserem Bildungssystem gewaltig schief", sagt Benedict Lang vom Münchner Schülerbüro, das den Kongress zusammen mit der Stadtschülervertretung und dem Jugendmedienzentrum München organisiert hat. Während in allen möglichen Bereichen des Lebens die Digitalisierung rapide voranschreitet, steckt die Schule oftmals buchstäblich noch in der Kreidezeit fest - so die Ursprungsidee des Treffens.

Sieben Monate wurde geplant, am Freitagabend ging es endlich los. Von Anfang an habe eine gewisse Aufbruchstimmung geherrscht, berichtet Lang. "Das hatte schon etwas von 'Wir wollen die Welt revolutionieren'." Das Gefühl, an etwas Wichtigem, etwas Großem beteiligt zu sein, dürfte auch die Motivation erklären, mit der sich die Schüler - 34 Jungen, sechs Mädchen - an ihre Themen machten. "Am Samstagnachmittag standen schon die ersten mit einer fertigen App da." 19 Experten aus dem IT-Umfeld haben den Jugendlichen mit Rat und Tat geholfen.

Sonntagmittag, kurz vor halb eins in der Wayra-Akademie: Büroräume, die aussehen wie eine Mischung aus Wohnloft, Freizeithalle und Café, mit Schreibtischen und PC-Arbeitsplätzen dazwischen. Sehr bunt, sehr gemütlich. Auf der Bar eine Reihe Mate-Flaschen mit aufgeklebten Namensetiketten. Wenn alle das gleiche Gebräu zu sich nehmen, muss schließlich irgendwie unterschieden werden, wem welche Flasche gehört. 200 Halbe von dem szenigen, stark koffeinhaltigen Tee-Getränk wurden von Freitag bis Sonntag geleert. Jugendliche wuseln umher, schreiben - ganz analog, mit Stift und Zettel - Notizen für ihre Präsentationen fertig. Auf einem Bildschirm wird unterdessen die Zeit bis zum Start der Kurzvorträge heruntergezählt.

Den Anfang macht eine Gruppe, die eine App für Prüfungsfragen entwickelt hat, die sich an die individuellen Fähigkeiten des Einzelnen anpasst. Noch bevor die Jungs in die Details der eigentlichen Funktionsweise gehen können, tönt plötzlich laute Musik aus den Boxen. Die Zeit ist um, heißt das, vier Minuten sind vorbei. Die Art der Präsentationen folgt dem Prinzip des Elevator Pitchs: Die Entwickler sollen in der Lage sein, in der Zeit einer Fahrt mit dem Aufzug einem potenziellen Investor ihre Geschäftsidee zu erklären.

Weiter geht es mit einer App, die verschiedene nützliche Funktionen für den Schulalltag bündeln soll. Es gebe einfach zu viele Anlaufstellen für zu viele verschiedene Dinge, klagen die jugendlichen Entwickler. Mit ihrer Anwendung sollen Schüler sich beispielsweise krank melden können, sie soll aber auch als digitales Hausaufgabenheft fungieren. Ein Mädchen stellt eine Diskussionsplattform vor, die von Schülern, Lehrern und Bildungspolitikern in ganz Bayern genutzt werden soll. Ein anderes Team hat erkannt: "Das Problem sind wir", und schiebt mit seiner App namens "Studytime" Ablenkungen einen Riegel vor. Denn oft sei es so: Man setze sich motiviert an das Referat, schaue nur noch kurz auf Facebook, dann ein Video auf Youtube, ein bisschen Instagram, und schon sind zwei Stunden rum. Ihre App, eine Art freiwillige Selbstkontrolle, blockiert zeitweise die entsprechenden Seiten. Weitere Themen: Schulungen für Lehrer zum Thema soziale Medien, das Ersetzen von Frontalunterricht durch individuelle Methoden und ein Schulfinder für weiterführende Schulen. Dafür hat die 16 Jahre alte Paula Ruhwandl, in ihrer Stufe ist sie das einzige Mädchen im Wahlfach Informatik, Daten vom Kultusministerium in einer interaktiven Karte zusammengeführt. Viertklässler können so auf einen Blick sehen, welche Schulen für sie in Frage kommen.

Wer weiß, vielleicht wird Paulas Idee bald online zu finden sein. Das Kultusministerium und auch das städtische Bildungsreferat fanden "Hack your school" jedenfalls so spannend, dass sie Vertreter zu den Präsentationen geschickt haben.

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Quelle:
SZ vom 30.01.2017
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