Gynäkologe vor Gericht:Heimliche Filme und gefährliche Waffen

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Er soll seine Patientinnen heimlich bei gynäkologischen Untersuchungen gefilmt und Hunderte bedrohliche Waffen gehortet haben: Nun muss sich Frauenarzt Christian K. vor dem Münchner Landgericht verantworten.

Von Christian Rost

Dr. Christian K. erscheint am Donnerstag auf Krücken gestützt im Saal 275 des Münchner Landgerichts. Die Straftaten, die die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft, stehen in scharfem Kontrast zum Erscheinungsbild des gesundheitlich stark angegriffenen Mannes, der schon vor Jahren ein Bein verloren hat. Er soll in seinem Haus im Münchner Westen, einem geheimen Keller und in seiner Arztpraxis Hunderte gefährlicher Waffen gehortet haben.

Zudem filmte er offenbar eine Vielzahl seiner Patientinnen heimlich bei gynäkologischen Untersuchungen. Im günstigen Fall, so signalisierte die 20. Strafkammer dem Angeklagten, könne er mit viereinhalb Jahren Haft rechnen. Und das auch nur, wenn er den gefilmten Patientinnen Schmerzensgeld zahlt: insgesamt 100.000 Euro.

Anklägerin Nicole Selzam benötigt den gesamten Vormittag zur Verlesung der Vorwürfe im Einzelnen. Allein die Aufzählung der 343 Waffen und Waffenteile dauert, danach müssen noch die Patientinnen und Daten aufgezählt werden, wann sie der Frauenarzt mit einem Videokugelschreiber bei Untersuchungen gefilmt haben soll. 68 Verletzungen des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen sind das in der Summe.

Vorerst ist nichts zu erfahren über das Motiv des 67-Jährigen und seinen biografischen Hintergrund. Das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Stephan Kirchinger versucht deshalb zunächst mit den Prozessbeteiligten ein mögliches Strafmaß im Gegenzug für ein Geständnis auszuloten. Sechs Jahre Haft will Staatsanwältin Selzam.

Die Verteidigerriege um Rechtsanwalt Steffen Ufer hält das für deutlich zu hoch gegriffen. Mit Rücksicht auf den angegriffenen Gesundheitszustand ihres Mandanten, dessen Alter, Schuldeinsicht und Geständnisbereitschaft fordern sie ein Entgegenkommen, ehe K. sich äußern könnte. Sie bezweifeln außerdem, dass der Angeklagte für seine Taten voll verantwortlich gemacht werden kann. Allerdings deutet in einem vorläufigen psychiatrischen Gutachten nichts auf eine schuldmindernde Erkrankung bei Christian K. hin. Die Verteidiger sehen bei dem Arzt eine ausufernde Sammelleidenschaft als Hintergrund seiner Taten. Jahrzehntelang habe er alles Mögliche gesammelt, Briefmarken, 200 Uhren und eben die 700 Waffen, von denen er knapp 300 legal besaß, wie die Anwälte am Rande des Prozesses erklären.

Nach einem Hinweis auf Unregelmäßigkeiten in der Frauenarztpraxis - es gab auch den Verdacht nicht regelrechter medizinischer Eingriffe - waren im September 2012 die Praxis und das Privathaus des Mannes durchsucht worden. Dabei kam ein Teil des stattlichen Waffenarsenals, unter dem sich auch Maschinengewehre, Maschinenpistolen, unzählige Handfeuerwaffen und auch Munition fanden, ans Licht. Vier Tage später führte K. Polizisten noch zu einem weiteren Versteck mit Kriegs- und anderen Waffen. Und im März 2013 meldeten er und seine Frau den Behörden noch ein Geheimdepot hinter einem Schrank, wo ebenfalls Waffen versteckt waren. Die Polizei hatte das übersehen.

Schusswaffen waren aber nicht die einzige Leidenschaft des Sammlers: Im Computer des Mannes sicherten Spezialisten der Polizei eine Vielzahl von Videofilmen, die Patientinnen in der Frauenarztpraxis bei Untersuchungen zeigen. K. hatte die Frauen heimlich mit einem Videokugelschreiber aufgenommen.

K. kann sich nun bis zum nächsten Verhandlungstag am 5. Dezember überlegen, ob er zu den Vorwürfen Stellung nehmen wird. Bis dahin beleibt er in Untersuchungshaft. Das Gericht lehnte die von den Verteidigern geforderte Freilassung wegen Fluchtgefahr ab.

© SZ vom 29.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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