Süddeutsche Zeitung

Gut für die Umwelt:Zweite Liebe

Erst weggeworfen, dann wieder wertgeschätzt: Bei der Versteigerung in der Halle 2, dem Gebrauchtwarenkaufhaus der Stadt München, finden unter anderem ein altes Moped, ein japanischer Camping-Ofen und ein vergoldeter Wasserhahn in Schwanenform neue Besitzer

Von Katharina Horban

Ein Moped aus dem Jahr 1956, ein vergoldeter Wasserhahn in der Form eines Schwans, ein 1,20 Meter großer singender Weihnachtsmann, ein Camping-Petroleumofen aus Japan: Während in der Adventszeit viele Menschen ihre Weihnachtseinkäufe in der Innenstadt erledigen, gab es dieses Wochenende in der Halle 2, dem Gebrauchtwarenkaufhaus der Stadt München, eine Shopping-Möglichkeit der besonderen Art. Die Weihnachtsversteigerung des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM).

"Jeder Müll, der gar nicht erst entsteht, ist der beste", erklärt Sabine Schulz-Hammerl, zweite Werkleiterin der AWM. Die zwölf Wertstoffhöfe im Stadtgebiet erhalten über das Jahr hinweg unzählige oft noch gut erhaltene Gegenstände. Diejenigen Dinge, die zu schade zum Wegwerfen sind, sortieren die Wertstoffhofmitarbeiter aus und leiten sie an die Halle 2 weiter. Und die besten Stücken aus 2019 hat sich der AWM für die Versteigerung aufgespart. Der Erlös in Höhe von 4421 Euro fließt dieses Jahr in den Gebührenhaushalt der Münchner Abfallwirtschaftsbetriebe ein und kommt so jedem Bürger zu Gute, wie Schulz-Hammerl es ausdrückt.

"Bitte machen Sie keine Psycho-Spielchen, geben Sie Ihr Angebot zügig ab", bittet Versteigerer Goran Djordjevic zu Beginn der Auktion: Denn bei 50 Artikeln auf der Bühne sei das Programm ziemlich straff. Zögern ist da nicht gerne gesehen. Los geht es mit einer weißen Blumenvase in Form einer zerdrückten Cola-Dose von Rosenthal, langsam klettert der von Djordjevic ausgerufene Preis nach oben: Als der Kaufhausleiter einen Original-Schmuckkasten von Modedesigner Harald Glööckler anpreist, recken sich die Köpfe in den hinteren Reihen.

Die meiste Zeit ist es still bei der Versteigerung - doch dann präsentiert Djordjevic den vergoldeten Wasserhahn in Form eines Schwans. "Sehr schwer, sehr massiv", beschreibt er das Stück. Regler gebe es leider keine mehr. Lacher im Publikum. Doch auch dieser Artikel findet einen Abnehmer. Alltagsgegenstände wie die ungetragenen Skistiefel in Größe 42 oder das 54-teilige Silberbesteck-Set finden auch einen Abnehmer. Statt ehemals 468 Mark liegt der Preis für das Besteck nun bei 40 Euro. 920 Euro erzielen zwei Verstärker der Marke Braun, der Höchstwert an diesem Samstag.

Ist das Interesse bei manchen Gegenständen überschaubar, so bieten bei anderen Angeboten gleich mehrere mit. Das Victoria-Moped "Vicky" aus dem Jahr 1956 haben besonders ältere Männer im Blick. Doch am längsten hält Johanna Brauer durch. Die 26-Jährige zahlt am Ende 540 Euro, und das bei einem Startgebot von 125 Euro. Ihr Patenonkel feiert im Januar seinen 60. Geburtstag - und sein Hobby ist es, an Motorrädern und Mopeds herumzuschrauben. Fünf hat er schon. "Dann hat er wieder was zu tun", sagt Brauer. Auf der AWM-Internetseite hatte sie das Moped vorab gesehen. Bereits da hatte sie die Idee, es ihrem Patenonkel zu schenken: Die ganze Familie hatte für das Geschenk zusammengelegt. Andere haben spontan zugeschlagen, so wie Maximilian Everts. Bei den Versteigerungen im Gebrauchtwarenkaufhaus war er schon einige Male, das Prozedere kennt er also. Und als er den Mikrofonhalter der Marke Rode sah, war er sich sofort sicher: "Ich wollte schon immer so ein Ding haben."

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Quelle:
SZ vom 09.12.2019
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