Lieblingsdings:Der Duft der Kindheit

Lieblingsdings: Leibgericht Zitronenhuhn - im selben Ofenblech, in dem schon die Mutter von Ali Güngörmüs dieses Gericht geschmort hat.

Leibgericht Zitronenhuhn - im selben Ofenblech, in dem schon die Mutter von Ali Güngörmüs dieses Gericht geschmort hat.

(Foto: Florian Peljak)

Ein altes Ofenblech aus Anatolien hat einen Ehrenplatz in der Hightech-Küche von Ali Güngörmüs. Alles hat die Mama einst darin gekocht.

Von Martina Scherf, München

Es gibt vieles, was Ali Güngörmüs an seine Kindheit erinnert. Aber nur ein Gegenstand ruft so intensive Gefühle hervor: das große runde Ofenblech, in dem die Mutter jeden Tag auf dem offenen Feuer gekocht hat. Börek (gefüllte Teigtaschen), Sarma (Kohlrouladen), Kebap und zu besonderen Tagen auch mal ein Zitronenhuhn mit Kartoffeln, Gewürzjoghurt und Gemüse. "Das ist bis heute mein Leibgericht", erzählt der Fernsehkoch und Chef des Münchner Restaurants Pageou. Dort, in den Fünf Höfen, steht auch immer noch das Ofenblech der Mutter. Es hat einen Ehrenplatz in der Hightech-Küche.

Pageou, so heißt das Dorf in Anatolien, in dem Güngörmüs als viertjüngstes von sieben Geschwistern aufwuchs. Der Vater arbeitete als Schweißer in München, sie sahen ihn nur in den Sommerferien. Die Familie hatte eine kleine Landwirtschaft, Obstbäume, Gemüsefelder, ein paar Schafe und Ziegen. Sie machten Butter und Käse aus der Milch, geschlachtet wurde höchstens mal ein Huhn. Immer dann, wenn der Vater kam. Sonst gab es höchstens zu Festtagen Fleisch, "drei, vier Mal im Jahr." Dann saßen die Kinder um das schwarze heiße Blech herum, und die Mutter achtete darauf, dass kein Streit um die besten Stücke ausbrach. "Fleisch war Luxus, ich esse es bis heute nicht oft", sagt der Spitzenkoch. "Nachhaltigkeit, das neue Modewort", er lacht, "das haben wir damals gelebt."

Lieblingsdings: Ali Güngörmüs ist ein auch im Fernsehen gefragter Spitzenkoch. Er betreibt zwei Lokale in München.

Ali Güngörmüs ist ein auch im Fernsehen gefragter Spitzenkoch. Er betreibt zwei Lokale in München.

(Foto: Jens Krick/imago images/Future Image)

Als Ali Güngörmüs zehn Jahre alt war, zog die Familie zum Vater nach München. Und der Sohn hatte bald ein Berufsziel, das er gegen den Willen der Eltern durchsetzte: Koch. Mit 19 landete er bei Karl Ederer im Sterne-Restaurant Glockenbach, ein Jahr später empfahl der ihn ins Tantris. Er war Küchenchef im Ederer und im Lenbach. In Hamburg eröffnete er 2005 sein erstes eigenes Lokal, Le Canard Nouveau und erhielt ein Jahr später selbst einen Michelin-Stern.

"Aber ich hatte dort immer Heimweh", sagt Güngörmüs. Die Eltern und Geschwister waren in München, sie fehlten ihm. "Die Vertrautheit, wenn die Mama anruft und sagt: Ich hab Zitronenhuhn gekocht, und dann versammeln sich alle bei ihr um den Tisch - diese Vertrautheit ist durch nichts zu ersetzen." 2014 eröffnete er in München das Pageou, 2022 kam noch das Pera Meze im Gärtnerplatzviertel dazu. Die Eltern leben inzwischen den größeren Teil des Jahres wieder in der Türkei. Die Mutter pflegt dort ihren Garten und versorgt den Sohn in München. "Sie schickt mir getrocknete Tomaten, Obst, selbst gemachte Marmelade und getrocknete Kräuter - das sind einfach die besten."

Wenn der vielbeschäftigte Koch - gerade ist er für eine Fernsehserie beim Drehen in den USA - seinen Kindern von Anatolien erzählt, und das tut er oft, dann geht es um den Garten der Mutter, die Küche, um die Wärme, die das offene Feuer ausstrahlte, den Brunnen, an dem die Kinder Wasser holten. "Der war ungefähr einen Kilometer entfernt, da bekamen wir zwei Kanister in die Hände und liefen los. Wir mussten immer mithelfen, aber das war ganz normal, es gab ja auch keine Ablenkung nach der Schule", sagt er. Dass er kein einziges Spielzeug hatte, können seine Kinder kaum glauben. Dafür ernteten die Geschwister in Pageou Weizen, brachten das Korn zur Mühle und buken aus dem Mehl Fladenbrot - auf dem umgedrehten Ofenblech. Eine wahre Allzweckwaffe in der Küche. "Die Mama hat alles darin gekocht, deshalb würde ich dieses gute Stück auch niemals hergeben."

Bei "Lieblingsdings" erzählen Menschen, woran ihr Herz hängt, was sie durchs Leben begleitet, ihnen Glück bringt und wovon sie sich niemals trennen würden.

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