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Gucci-Kinderkollektion:Die Glamour-Glucken

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"Also in der Schule sollen sie das nicht tragen, die Lehrer verdienen ja so wenig": Gucci hat in die Maximilianstraße geladen, um dem Nachwuchs auch mal etwas Tolles zu präsentieren - zum Beispiel Strampler für fast 200 Euro. Nur: Interesse daran, dass ihre Kinder wie kleine Millionäre aussehen, haben vor allem die Eltern.

Philipp Crone

Es ist dann doch nicht irgendein blaues Kleid, das die 20 Monate alte Martha Maria anhat. Das kleine Mädchen nuckelt verträumt an einem Lutscher, als ihr ein Spuckefaden auf die Brust tropft. Mitten in den mit glitzernden Strasssteinchen geschriebenen "Gucci"-Aufdruck. Sofort ist Marthas Papa zur Stelle und rettet die Steinchen vor dem Speichel. Und so stellt sich am Donnerstagmittag bei der Präsentation der neuen Gucci-Kinderkollektion schon die Frage: Für wen ist diese Modelinie eigentlich gedacht?

Das italienische Modelabel hat in die Maximilianstraße geladen, um dem Nachwuchs auch mal etwas Tolles zu präsentieren. Zum Beispiel einen weißen Strampler für 195 oder eine Pelzjacke für 1900 Euro. Die Kunden hätten sich eine Kinderkollektion gewünscht, berichtet ein Mitarbeiter. Gibt es denn auch Käufer, die befremdet auf eine Kollektion reagieren, die Kinder wie kleine Millionäre aussehen lässt? Nein, die Reaktionen seien sehr positiv, ist die Antwort.

Martha Marias Vater, ein Hotelier aus Nürnberg, sagt: "Sie trägt das nur, wenn andere Kinder es nicht sehen." Na dann. Was er wohl antwortet, wenn die Tochter das erste Mal fragt, warum sie das Kleid nicht in der Öffentlichkeit tragen darf? Ähnlich hält es eine Mutter, die mit ihren beiden Töchtern, fünf und zwei Jahre alt, da ist. "Also in der Schule sollen sie das nicht tragen. Die Lehrer verdienen ja so wenig. Das wäre ungut." Und sie hat klare Grundsätze beim Thema Edelmarken: "Echten Pelz trage nur ich." Zum Beispiel das Pelz-Jacket für 5900 Euro, das neben der Kinderkollektion aushängt.

Vielleicht ist das ja eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage: Die Kinderlinie ist für die Erwachsenen gedacht. Da nickt die Mutter. Für den Nachwuchs shoppen ist fast so, als kaufe man für sich selbst ein. Und: "Ich möchte schöne Kinder ansehen." Schön, das ist in ihren Augen offenbar ein Kind in teuren Kleidern. Ein Kind, auf dem für alle sichtbar geschrieben steht, dass es aus guten Verhältnissen kommt. Darauf ein Glas Champagner.

Mütter blättern die Kleiderständer durch, stoßen aufeinander an und beraten sich gegenseitig. Und was machen die Kinder in der Modeboutique? Sie malen, mampfen Gummibärchen, lutschen Lutscher und lassen sich von einem Clown bespaßen. Nur eines interessiert sie überhaupt nicht, und das ist die neue Kinderkollektion.

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Quelle:
SZ vom 09.12.2011
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