Guantanamo-Häftlinge:"Wir haben noch nie Flüchtlinge abgewiesen"

Grüne und SPD wollen chinesische Uiguren aus dem Lager Guantanamo in München aufnehmen - wenn der Bund zustimmt.

Bernd Kastner

Sie waren vermutlich nur zur falschen Zeit am falschen Ort, die 17 Uiguren, die irgendwann nach dem 11. September 2001 in die Fänge der US-amerikanischen Terroristenjäger gerieten.

Guantanamo-Häftlinge: In orangefarbene Overalls gekleidete Häftlinge im Camp X-Ray auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba.

In orangefarbene Overalls gekleidete Häftlinge im Camp X-Ray auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba.

(Foto: Foto: dpa)

Heute gehören sie zu jenen rund 50 Gefangenen in Guantanamo, die inzwischen auch die Amerikaner als unschuldig ansehen. Wenn alles gutgeht für die Uiguren, deren Heimat China ist, dann werden sie im Laufe des Jahres freigelassen, denn US-Präsident Barack Obama hat die Schließung des umstrittenen Lagers auf Kuba versprochen.

Zurück in ihre Heimat aber können die Angehörigen der muslimischen Minderheit nicht, in China droht ihnen Unterdrückung und Folter, und die Aufnahme in den USA scheint aus formalen Gründen so gut wie ausgeschlossen. Womöglich werden die Männer dann versuchen, in München zurück ins Leben zu finden.

Signal an die USA und die Welt

So zumindest wollen es die Grünen im Stadtrat. Sie haben den Antrag gestellt, die Uiguren in München aufzunehmen, kommende Woche soll der Sozialausschuss darüber entscheiden. Es soll ein Signal sein an die USA und die Welt. Voraussetzung sei natürlich, betont Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker, dass sie tatsächlich unschuldig sind, aber das würden vor einer Aufnahme auch die deutschen Sicherheitsbehörden überprüfen.

In der Rathaus-SPD ist man zurückhaltender: "Das ist überhaupt keine kommunale Frage", sagt Fraktionschef Alexander Reissl, die große Koalition in Berlin müsse entscheiden. Sollte Berlin für eine Aufnahme stimmen - die Münchner SPD würde sich dann bestimmt nicht quer stellen, so Reissl: "Wir würden das nicht ablehnen", München habe noch nie Flüchtlinge abgewiesen. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) war am Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Doch selbst wenn der Stadtrat die Uiguren willkommen heißen sollte, die Berliner Politik streitet erst einmal weiter: Hier Außenminister Steinmeier (SPD), der eine Aufnahme befürwortet, dort Innenminister Schäuble (CDU), der das ablehnt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bleibt im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung bei seinem kategorischen Nein: "Für Guantanamo sind die USA verantwortlich."

Zwar sei das Lager eine "indiskutable Einrichtung", und jeder Häftling habe das Recht auf einen ordentlichen Richter. Doch selbst wenn einem Häftling keine Mitwirkung an Terrorakten nachgewiesen werde, "heißt das noch lange nicht, dass er völlig unbedenklich ist". Man müsse bei Guantanamo-Häftlingen "von einer gewissen Verbindung zum Terrorismus" ausgehen, so Herrmann.

Therapeutische Strukturen sind vorhanden

Dass München überhaupt als Zufluchtsort diskutiert wird, ist kein Zufall. An der Isar lebt die größte uigurische Gemeinde Europas, und auch der Weltkongress der Uiguren hat hier seinen Sitz. Asgar Can, Vize-Vorsitzender dieser Dachorganisation, schätzt die Zahl der Münchner Uiguren auf gut 500, an die 150 Familien seien es. Die ersten seien in den 80er Jahren nach München gekommen, zum Studieren, und so wuchs aus dieser Keimzelle eine stattliche ethnische Gemeinde. "Wir würden aus humanitären Gründen sehr begrüßen, wenn die Uiguren aus Guantanamo nach München kämen", sagt er.

Mitglieder der Gemeinde würden sich um ihre Landsleute kümmern, diese hätten also beste Integrations-Voraussetzungen. Auch die nötigen therapeutischen Strukturen würden die Uiguren an der Isar vorfinden. Bei Refugio, dem Behandlungszentrum für Flüchtlinge, könnten die vermutlich psychisch schwer angeschlagenen Männer behandelt werden. Kein Problem, signalisiert Refugio-Chefin Anni Kammerlander, man habe schon einige Uiguren therapiert, habe Dolmetscher zur Hand und sei mit Themen wie Haft und Folter ohnehin vertraut.

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