Gewerbe:München will Grundstücke nur noch gegen Erbpacht vergeben

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Die Stadt wächst immer weiter, die Grundstücke werden immer rarer: Ab und an sieht man trotzdem noch unbebaute Flächen, wie zum Beispiel hier in der Nähe des Heizkraftwerkes Nord. (Foto: Robert Haas)
  • Die Stadt will wieder mehr Macht über den Grundstücksmarkt erlangen.
  • In Zukunft soll München darum seine Gewerbeflächen nicht mehr verkaufen, sondern nur noch in Erbbaurecht vergeben.
  • Grundsätzlich ist man sich im Rathaus darüber einig, doch noch wird über die Ausnahmen von der neuen Regel diskutiert.

Von Pia Ratzesberger, München

In einer Stadt wie München ist kaum noch Platz. Viele Menschen finden keine Wohnung und viele Unternehmen finden keinen Flächen - und im Rathaus bemüht man sich deshalb jetzt darum, wieder mehr Macht über den Markt zu erlangen. In den kommenden Wochen werden die Politikerinnen und Politiker aller Voraussicht nach einen Beschluss fassen, der grundlegend verändern soll, wie die Stadt mit ihrem Besitz umgeht: In Zukunft soll die Stadt ihre Gewerbeflächen nicht mehr verkaufen, sondern nur noch in Erbbaurecht vergeben.

Das bedeutet, dass die Flächen weiterhin der Stadt gehören und die Unternehmen sie für eine Zeit von 40 bis 60 Jahren nutzen können. Im Gegenzug zahlen sie einen sogenannten Erbbauzins. Schon vor zwei Jahren hatten die Politiker im Stadtrat beschlossen, dass die städtischen Flächen möglichst nur noch im Erbbaurecht vergeben werden sollen, auch Unternehmen machte man solche Angebote. Doch die lehnten meistens ab, ein Kauf lohnte sich nun einmal mehr - und die Stadt verlor die Fläche. Das soll sich von nun an ändern.

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Die neuen Pläne gehen auf einen Antrag der Fraktion der Grünen zurück, in einer nicht-öffentlichen Sitzung sollten am Dienstag der Wirtschaftsausschuss und der Kommunalausschuss gemeinsam darüber abstimmen. Allerdings wurde der sogenannte Grundsatzbeschluss auf Wunsch der SPD noch einmal vertagt. Es seien zu viele Details unklar, sagt Stadträtin Simone Burger, und auch die anderen Parteien haben ihre Einwände. Die Fraktionen der SPD, der CSU und der Grünen/Rosa Liste sind sich zwar einig, dass die Stadt ihre Grundstücke den Firmen nach dem Erbbaurecht überlassen sollte, aber nicht über die Ausnahmen der neuen Regel. Wenn es nach den Grünen geht, sollte es keinerlei Ausnahmen geben: "Der Beschluss wird nicht wirken, wenn man Tausende Ausnahmen zulässt und sich das in der Wirtschaft herumspricht", sagt Fraktionschefin Katrin Habenschaden.

In der Vorlage sind acht Fälle aufgeführt, wann eine Fläche im Gewerbegebiet oder auch in einem sogenannten Kerngebiet doch verkauft werden könne - wobei man im Gegensatz zum Gewerbegebiet als Kerngebiet zum Beispiel das Viertel im Süden des Hauptbahnhofs bezeichnet, in dem viele Geschäfte und viele Hotels liegen. Die Vorlage sieht unter anderem Ausnahmen vor, wenn ein Unternehmen die Fläche seines bisherigen Grundstücks erweitern will, aber auch bei "Unternehmensansiedlungen von besonders wirtschaftspolitischem Interesse" oder "übergeordneten städtischen Interessenslagen". Das sei viel zu schwammig, sagt Habenschaden.

Die letzten beiden Punkte wollen die Grünen streichen, auch der Fraktion der SPD sind die Ausnahmen noch zu unkonkret: "Beim Erbbaurecht sind wir dabei, aber wir wollen wissen, wie viele Flächen von diesen Ausnahmen denn betroffen wären", sagt Burger. Bei der CSU will man dagegen mehr Sonderregeln aufstellen: Kleine Mittelständler mit 40 bis 50 Mitarbeitern sollten Flächen kaufen dürfen, sagt Stadtrat Hans Podiuk. Ein Malerbetrieb oder eine Metzgerei hätten es bei einer Bank schwerer, einen Kredit zu bekommen, wenn dem Betrieb das Grundstück nicht gehöre. "Wir würden die Kleinen unnötig quälen."

Wenn man alle Gewerbegebiete in München zusammenzählen würde, käme man auf 1200 Hektar. München misst 31 000 Hektar. Das Gewerbe nimmt also nur knapp vier Prozent der Fläche ein. In den nächsten Jahren sollen 35 Hektar neue Flächen dazukommen, aber auch das wird nicht ausreichen. Hunderte Unternehmen in der Stadt suchen nach Grundstücken, allein beim Referat für Arbeit und Wirtschaft sind etwa 300 Firmen gemeldet und verlangen nach etwa 53 Hektar.

Momentan hat die Stadt gerade einmal 2500 Quadratmeter an klassisches Gewerbe zu vergeben - also etwa an Handwerksbetriebe - sowie 4,7 Hektar an sogenanntes höherwertiges Gewerbe, also an Forschungsinstitute oder Softwarefirmen. Mit den Grundstücken für die Unternehmen ist es wie mit den bezahlbaren Wohnungen, immer sind es zu wenige. Wenn Gewerbegrundstücke in Zukunft verkauft werden, will sich die Stadt mit dem neuen Grundsatzbeschluss deshalb auch ein Vorkaufsrecht sichern, um Flächen zurückzukaufen.

Weil die Stadt bei den Gewerbeflächen bislang kaum Erfahrung mit dem Erbbaurecht hat, soll es eine Pilotphase von zwei Jahren geben, in der unter anderem Unternehmen befragt werden sollen. Man will herausfinden, ob manche Firmen vielleicht nicht mehr nach München kommen, weil sie die neuen Regeln abschrecken. Erst einmal aber müssen sich die Parteien im Rathaus einig werden, wie die Regeln genau aussehen werden.

© SZ vom 03.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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