Grundschule:Vier mal ungenügend

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Fehlende Regelungen, Mensa-Notbetrieb, Platzmangel: Wie Schulleiter in ganz Bayern, fühlt sich auch Friedrich Fichtner von der Bergmannschule von Stadt und Staat allein gelassen. "Ein unerträglicher Zustand", sagt er

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Weil sie für "alles und jedes verantwortlich" seien, fühlen sich immer mehr Rektoren an Bayerns Grund- und Mittelschulen überfordert. Darüber haben einige Schulleiter unlängst öffentlich geklagt. Nach Zahlen des Kultusministeriums waren im laufenden Schuljahr 642 Stellen für Schulleiter und Konrektoren an Volksschulen ausgeschrieben; auf 235 bewarb sich nur eine Person; 30 lockten gar niemanden.

In Anbetracht dieser Entwicklung muss man sich über Friedrich Fichtner wundern. Als der Rektor der Grundschule an der Bergmannstraße im Bezirksausschuss (BA) Schwanthalerhöhe von der kafkaesk klingenden Aufgabe zur Bewältigung der mittäglichen Essensausgabe im Schulhaus berichtet, versucht er die Situation noch immer mit Humor darzustellen, wenn auch mit verzweifeltem.

Fichtner hat einen Hang zur inszenatorischen Wiedergabe, so auch bei der Schilderung der Missstände. Problem Nummer eins: Für die 91 Kinder der vier Ganztagsklassen gab es zeitweise keine Küchenhilfe, um das Mittagessen zu verteilen. "Sie hatte mir mündlich gekündigt, wegen Scheinselbständigkeit", erzählt Fichtner. Allerdings: Sie hatte den Rektor um einen Arbeitsvertrag gebeten, bislang habe sie ohne gearbeitet und deshalb ein schlechtes Gefühl. So wollte sie nicht weitermachen. "Den Vertrag darf ich ihr als Schulleiter aber gar nicht ausstellen, obwohl ich es sehr gerne würde", sagt er, während er dabei in großen Schritten kopfschüttelnd die Reihen des Stadtteil-Gremiums abschreitet. "Ich hab' also das Referat für Bildung und Sport, die Regierung von Oberbayern und den Förderverein der Schule gefragt: Könnt Ihr Arbeitgeber für die Küchenkraft sein?" Der 64-Jährige schüttelt den Kopf und rauft sich ostentativ das schüttere, schulterlange Haupthaar. Die Mitarbeiterin habe deshalb das Haus verlassen - und man sei ohne Hilfe bei der Essensausgabe dagestanden.

Aus dem Jahre 1890 stammt das Schulgebäude. (Foto: Stephan Rumpf)

Drei Wochen lang übernahmen daraufhin die Eltern in einer "Notversorgungs-Aktion" den Job. Aktuell habe sich, so der Schulleiter, wieder eine Frau gefunden, die die Arbeit übernehme. Das Problem sei deshalb aber nicht gelöst. "Ein unerträglicher Zustand, finde ich", so der Pädagoge und sticht mit seinem langen Zeigefinger in die Luft. "Ich bekomme in der Landeshauptstadt München keine Behörde, die mir einen Vertrag mit einer Küchenhilfe macht." Die CSU im BA verweist darauf, beim bisherigen Kultus-Staatssekretär und jetzigen Digital-Minister Georg Eisenreich nachgefragt zu haben. Eine konkrete Hilfestellung sei bislang ausgeblieben. Eine Zuhörerin der Sitzung riet dem Rektor, die Putzhilfe bei der Reinigungsfirma anstellen zu lassen. Fichtner stößt einen Lacher aus: "Danke, für den Tipp. Aber ich hätte trotzdem gern, dass es bayernweit eine Regelung gibt, wo ich nicht die Reinigungsfirma fragen muss, ob sie meine Küchenfrau anstellt."

Im Referat für Bildung und Sport verweist Sprecherin Ursula Oberhuber darauf, dass in den meisten Fällen die Essensversorgung an den Schulen durch einen Caterer sichergestellt werde, der die Küchenkraft beschäftige. Das Referat selbst stelle lediglich die Küche inklusive Ausstattung zur Verfügung. "Küchenpersonal ist nicht im Sachaufwand, den die Kommune bereitstellen muss, enthalten." Teilweise werde die Versorgung auch durch den schulischen Förderverein oder freiwillige Helferinnen organisiert.

Fichtner konstatiert: "Man ist ein bisschen alleingelassen." Ähnlich gehe es ihm bei Problem Nummer zwei: Als Mensa für 91 Kinder diene ein Raum in der Größe eines Klassenzimmers, ausgestattet mit Warmhaltetheke und Geschirrspüler. Eine Ganztagsklasse nach der anderen müsse zum Essen gehen, weil mehr als 25 Kinder nicht ins Zimmer passten. "Und dabei", so der Schulleiter, "braucht's doch einen Ort am Tag, wo man in Ruhe sein Essen kriegt". Er würde deshalb für 90 Minuten gern den durch eine Tür angeschlossenen Nachbarraum zusätzlich nutzen. Den allerdings beanspruche bereits der Hort. Würde der weichen, müsste er in die Räume der Mittagsbetreuung ziehen - und die flöge als letztes Glied der Kette dann ganz aus dem Haus. "Das ist's mir nicht wert", sagt der Rektor. Als praktikable Lösung erscheint ihm die Aufstellung von Containern auf der Dachterrasse. Der BA mahnt einen runden Tisch aller Beteiligten an, Thomas Hofstätter (CSU) stellt aber grundsätzlich fest: "Wir wollen keine Einrichtung gegen eine andere ausspielen." Beim runden Tisch ließen sich auch die Probleme drei und vier der Grundschule an der Bergmannstraße ansprechen. Nach jahrelanger "Inaussichtstellung", sagt Fichtner, sei für Herbst 2017 endlich der Einbau feuerfester Garderobenschränke von der Stadtschulrätin zugesagt worden. Der Rektor seufzt: "Die sind immer noch nicht da". Auch mit der Errichtung von fünf Lehrerparkplätzen auf dem Gollierplatz käme man nicht voran.

Die Leiter der Grund- und Mittelschulen in Bayern, die ihrem Unmut öffentlich Luft gemacht haben, beklagten, dass sie alles sein müssten: Systembetreuer, Sanitäter, Installateur, Organisatoren für den Ganztag und die Integration von Flüchtlingen - und unterrichten, ja, das müssten sie auch noch.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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