Süddeutsche Zeitung

Auszeichnung:Diese Schule ist mehr als ein bloßer Lernort

Für ihre hervorragende Organisation und Pädagogik bekommt die Grundschule an der Ichostraße den Münchner Schulpreis. Schon längst kann sie etwas, das andere Münchner Schulen noch lange nicht können.

Von Jakob Wetzel

Stadt und Freistaat haben große Pläne. Eltern kleiner Kinder sollen nicht mehr bangen müssen um einen Platz im Hort oder in der Mittagsbetreuung; vielmehr soll jedes Kind garantiert einen Platz im Ganztag erhalten. Derzeit läuft ein Modellprojekt an einer Grundschule, ab September werden es zehn sein, langfristig soll das neue Konzept die Grundschullandschaft gehörig umkrempeln.

Doch bei dem Gedanken, dass nun alles neu werde, muss Martin Rothenaicher lächeln. "Wir leben das schon seit zehn Jahren", sagt der Leiter der Grundschule an der Ichostraße in München-Giesing. Das Konzept seiner Schule ist im Einzelnen ein anderes; doch die Ichoschule könne Eltern längst einen Betreuungsplatz für ihre Kinder versprechen, sagt Rothenaicher. Jetzt hat die Schule bei einem Festakt im Alten Rathaus den Münchner Schulpreis gewonnen.

"Vor zwölf Jahren sind bei uns noch alle Kinder mittags nach Hause gegangen", erzählt Rothenaicher. "Um 13 Uhr wurden in der Schule gewissermaßen die Bürgersteige hochgeklappt." Jetzt sei das anders: Von insgesamt 300 Schülern würden 99 Prozent den gebundenen oder offenen Ganztag besuchen. Seine Schule sei ein Lebensraum, "mehr wie ein Tagesinternat", sagt der Rektor, nicht nur ein Ort zum Lernen. An diesem Donnerstag sei der erste Schüler schon um 6.15 Uhr da gewesen. Die Eltern bräuchten ein solches Angebot ja dringend, um sich das Leben im teuren München leisten zu können.

Den Preis hat die Grundschule freilich nicht nur für ihr Ganztagsangebot erhalten, sondern für das gesamte Paket, für ihre Pädagogik und ihre Organisation. Die Jury habe "das enorme soziale Engagement" von Schulleitung, Lehrern und Schülern an der Schule erlebt, lobte Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) am Donnerstag. Jedes Kind nehme hier sein Lernen selbst in die Hand, nicht alle lernten immer denselben Stoff; jede Lehrerin und jeder Lehrer informiere sich über den Lernstand jedes einzelnen Kindes, um den Schülern individuell zu helfen.

Man arbeite viel mit aufgeteilten Gruppen, mit Lernbüros, in denen Schüler selber wählen können, was sie lernen wollen, und etwa mit Lerntheken, an denen sich Schüler eigenständig mit Material versorgen können, erklärt Rothenaicher - von der Pädagogik her also ganz wie in einer neuen Lernhaus-Schule mit zentralem Forum und offenen Gruppen- und Klassenräumen, nur eben in einem alten, 105-jährigen Schulgebäude. Das gehe "mit viel Engagement", sagt Rothenaicher - und lobt seinerseits die Stadt. Wenn er für ein Projekt ein Sonderbudget beantrage, habe er noch nie eine Ablehnung kassiert.

Insgesamt werden fünf Schulen ausgezeichnet

Die Ichoschule ist die vierte Gewinnerin des Münchner Schulpreises: Mit dieser Auszeichnung prämiert die Stadt seit 2015 Schulen, die mit innovativen Konzepten überzeugen. Zu Beginn wurde der Preis jährlich vergeben; seit 2017 lobt die Stadt ihn im zweijährigen Turnus aus. Die Jury, in der Stadträte und Wissenschaftler ebenso sitzen wie Vertreter von Lehrern und Schülern sowie der Stadtverwaltung, entscheidet unter anderem nach der Unterrichtskultur, dem Schulklima, der Erziehung hin zur Demokratie oder auch nach der Entwicklung hin zu mehr Chancengleichheit. Dotiert ist der Schulpreis mit insgesamt 30 000 Euro; das Preisgeld wird auf mehrere Preisträger aufgeteilt.

In diesem Jahr wurden insgesamt fünf Schulen geehrt. Zwei Schulen erhielten den zweiten Preis: das Sonderpädagogische Förderzentrum Mathilde Eller und die Grundschule an der Margarethe-Danzi-Straße; beide teilen sich einen Campus in Nymphenburg, und beide wurden für ihren Einsatz zur Integration und Inklusion aller Schüler prämiert. So lernen die Kinder etwa in Partnerklassen, mit Paten und im gemeinsamen Ganztag. Jedes Kind habe dort ein eigenes Unterstützernetzwerk, sagte Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD).

Den dritten Preis erhielt die städtische Nelson-Mandela-Berufsoberschule; die beiden Laudatoren Kazheen Ahmed Salih und Mohamed Mumine Diallo, eine Schülerin und ein Schüler von der Schlau-Schule, der Siegerschule von 2017, lobten hier unter anderem die große Wertschätzung, die allen Schülern entgegengebracht werde.

Erstmals wurde in diesem Jahr zudem ein vierter Preis vergeben: Der sogenannte Jurypreis wird Schulen nicht für ihren Gesamtauftritt, sondern für einzelne, besondere Konzepte verliehen. Den ersten solchen Preis erhielt die städtische Artur-Kutscher-Realschule in Moosach. Dort können die Schüler zu bestimmten Lernzeiten selbst entscheiden, mit welchem Fach sie sich beschäftigen wollen - und auch darüber bestimmen, wann sie Prüfungen ablegen wollen. Beworben hatten sich insgesamt neun Münchner Schulen. Nominiert waren am Ende auch die Mittelschule München Moosach sowie das Michaeli-Gymnasium in Berg am Laim.

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SZ vom 03.05.2019/kaal
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