Rani Bakkour, 40, ist Umweltchemiker an der Technischen Universität München. Vor Kurzem erhielt er gemeinsam mit Tina Lüdecke vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und Cajetan Neubauer von der University of Colorado Boulder die Zusage von einer Million Dollar vom Human Frontier Science Program, einem international renommierten Förderprogramm für Grundlagenforschung. Die drei Teams in Deutschland und den USA werden gemeinsam den Zahnschmelz von Frühmenschen untersuchen - und damit vielleicht neue Erkenntnisse über die menschliche Evolution gewinnen.
Wie kamen Sie dazu, den Zahnschmelz von Frühmenschen zu untersuchen?
Unsere Kollegen aus der Paläoanthropologie in Mainz entdeckten, dass sich Aminosäuren über Millionen Jahre im Zahnschmelz erhalten können. Und aus den Isotopenverhältnissen darin lassen sich Rückschlüsse auf die Nahrung und Lebensumstände unserer Vorfahren ziehen. Da ich eine spezielle Methode zur Isotopenanalyse für ähnliche Verbindungen wie Aminosäuren an der TUM entwickelt hatte, kamen sie auf mich zu.
Was ist das Besondere an Ihrem Verfahren?
Mit unserer Technik können wir Makromoleküle bauen, die aus Proben mit Tausenden verschiedenen Verbindungen jeweils ein einzelnes, ganz spezifisches Molekül erkennen. Wir nennen diese Technik molekulares Imprinting. Normalerweise isolieren wir damit winzige Mengen an Schadstoffen, zum Beispiel Glyphosat, aus komplexen Gewässerproben. Aber diese Methode ist natürlich auch für die Paläoanthropologie interessant.
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Und wenn man die Aminosäuren aus dem Zahnschmelz analysiert hat, kann man ableiten, was die Leibspeise der Frühmenschen war?
Ja. Man wird erkennen, ob unsere Vorfahren sich hauptsächlich von Fleisch oder Pflanzen ernährt haben, ob sie Fische oder Pilze aßen und sogar, welche Rolle das Stillen spielte. Man kann die Erkenntnisse dann mit archäologischen Funden vergleichen, die Aufschluss geben, welche Werkzeuge die Menschen verwendeten oder wie ihr Körperbau war. "Wir sind, was wir essen" - das ist ja nicht nur ein Sprichwort, es hat einen wissenschaftlichen Hintergrund, denn die ganze Evolution hängt eng mit dem Nahrungsangebot zusammen.
Inwiefern?
Ob unsere Vorfahren aufrecht gingen, ob sie Jäger waren und weite Strecken zurücklegen mussten oder ob sie Aas gegessen haben, das alles beeinflusste auch ihre körperliche und geistige Entwicklung. Ein wichtiger Aspekt ist auch, ob sie Feuer nutzten und ihre Nahrung roh oder gekocht zu sich genommen haben. Denn gekochte Nahrung liefert viel mehr Energie als Rohkost, und man vermutet, dass das einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Gehirne hat.
Woher stammen die Zähne? Wie alt sind sie?
Sie sind ungefähr eine Million Jahre alt und stammen aus Afrika. Woher genau und wer sie gesammelt hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Das Max-Planck-Institut in Mainz bekommt Funde aus aller Welt zur Analyse. Ich kriege nur den Zahnschmelz in winzigen Proben.
Haben Sie sich immer schon für Geschichte oder Archäologie interessiert?
Zu wissen, wo wir herkommen, fand ich immer extrem spannend. Allerdings eher aus privater Neugier. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich als Chemiker mal mit solchen Fragen beschäftigen würde.
Das Forschungsstipendium läuft über drei Jahre?
Ja, und ich freue mich sehr über diese internationale Zusammenarbeit mit Paläoanthropologen und Biochemikern. Natürlich bin ich selbst gespannt, was wir dabei herausfinden.
Wann kamen Sie nach München?
Ich hatte in Syrien meinen Bachelor in Chemie gemacht und ging noch vor dem Ausbruch des Krieges fürs Masterstudium an die Universität Duisburg-Essen. Dann machte ich an der ETH Zürich meinen Doktor. 2018 erhielt ich das Angebot des Lehrstuhls für Analytische Chemie und Wasserchemie an der TUM, mit der Möglichkeit, eine eigene Forschungsgruppe in der Umweltanalytik aufzubauen. Das war natürlich großartig. Ich fühle mich wohl in München, denn es ist eine internationale Stadt, die TUM eine exzellente Uni - und die Alpen sind nah. Ich gehe in meiner Freizeit sehr gerne in die Berge, mein Hobby ist das Fotografieren.