Ob im Februar 1522 bei der geschichtsträchtigen Konferenz auf der Grünwalder Burg meisterlich gebrautes Bier ausgeschenkt wurde, ist nicht bekannt. Gut möglich scheint es, schließlich trafen sich dort die beiden regierenden Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X., die einige Jahre zuvor für den Erlass des bayerischen Reinheitsgebots verantwortlich zeichneten (1516). Um Gerste, Hopfen und Wasser ging es bei dem Treffen auf der Burg hoch über der Isar nicht, aber die Folgen, die es zeitigte, sind ähnlich weitreichend gewesen wie das älteste bis heute gültige Lebensmittelgesetz - nicht nur für Bayern, sondern weit darüber hinaus.
Indem die Wittelsbacher Brüder Wilhelm und Ludwig damals im Gegensatz zu anderen Reichsfürsten ihre abwartende Haltung aufgaben und sich gegen die Reformbestrebungen Luthers stellten (der 1517 seine 95 Thesen formuliert hatte), wurde Bayern zum Pionier und Zentrum der Gegenreformation. Oder wie es Roland Götz, stellvertretender Direktor des Archivs und der Bibliothek des Erzbistums München und Freising ausdrückte: "Vergröbert gesagt, hat in Grünwald das konfessionelle Zeitalter begonnen." Die wohlhabende Gemeinde, die eher als Villenvorort, Steuerparadies oder Heimat der Bavaria Filmstudios bekannt ist, fungierte also vor 500 Jahren als Ausgangspunkt einer religionspolitischen wie gesellschaftlichen Entwicklung, die teils bis heute nachwirkt. Bayern avancierte zu einer Speerspitze des Katholizismus in Europa, die Reformation konnte sich hier hingegen knapp 300 Jahre lang nicht ausbreiten - bis zu den napoleonischen Zeiten.
Die Wittelsbacher waren sich einig in der Ablehnung der "Irrlehren" Luthers
Aus Anlass des Jubiläums hat die Archäologische Staatssammlung München, die ein Zweigmuseum in der Burg betreibt, mit der Gemeinde und der örtlichen Kirche St. Peter und Paul eine Ausstellung zur "Grünwalder Konferenz" konzipiert, inklusive begleitender historischer Vorträge. Einer davon heißt "Schicksalsstunde für die religiöse Entwicklung im deutschsprachigen Raum", dem Kirchenhistoriker Klaus Unterburger, der ihn im Mai halten wird, oblag es auf der Eröffnung, das Ereignis einzuordnen: "Dass die Konferenz so wenig bekannt ist, liegt daran, dass wir nicht viele Quellen haben. Aber man hat sich auch nicht so dafür interessiert, weil die folgende Entwicklung lange als selbstverständlich betrachtet wurde. Dabei war damals vieles offen, und wir wissen gar nicht, welche Spielräume es gab." Ein Ergebnis der Konferenz, das "Erste bayerische Religionsmandat" vom März 1522 legte jedenfalls fest, dass die Bayern bei der "alten Lehre" bleiben sollten. Die Wittelsbacher waren sich, trotz gewisser Kritik an Rom, einig in ihrer Ablehnung der "Irrlehren" Luthers, sahen die Einheit der Kirche gefährdet und fürchteten, auch weil sie das revolutionäre Potenzial der neuen Gedanken erahnten, mögliche politische Unruhen.
Nun, die Ausstellung in Grünwald, zu deren Eröffnung ein großes Medien- wie Akademikeraufgebot erschienen war, wird eher nicht als revolutionär eingehen in der Gestaltung, ist aber informativ: Da es an Exponaten mangelt - zu den wenigen Quellen gehören ein Brief Ludwigs (der in Landshut residierte) an Wilhelm und die Folge-Beschlüsse - haben sich die Ausstellungsmacher entschieden, mittels wetterfester lebensgroßer Figuren/Silhouetten der Protagonisten sowie Texttafeln den Besuchern das Ereignis näher zu bringen. Diese, von Luther über Kaiser Karl V., den Herzögen bis zu Hofrat Leonhard von Eck und dem Ingolstädter Theologieprofessor Johannes Eck, stehen im Burginnenhof und am benachbarten Kirchenvorplatz. Inhaltlich reicht das bis in die Neuzeit und beleuchtet auch den Prozess vom Nebeneinander der Konfessionen (nachdem die teils evangelisch geprägten Franken und Schwaben zu Altbayern kamen) bis zur pluralen Gesellschaft und Ökumene. Zudem ist ein Film zu sehen, in dem Schülerinnen des Gymnasiums Grünwald in Hosenrollen den möglichen Ablauf der Konferenz darstellen. Dass die Burg Grünwald 1522 zum Schauplatz dieses Ereignisses wurde, lag auch an der Pest: Weil die damals in München wütete, war die Burg vor den Toren der Stadt zwischenzeitlich Residenz von Herzog Wilhelm.
Die ganzjährige Ausstellung "500 Jahre Grünwalder Konferenz" kann kostenlos besichtig werden, Burg Grünwald