Groteske Jagd:Bruno, der ABM-Bär

Das Vieh geht allen auf die Nerven: Es spaltet die Nation und kostet viel zu viel Geld. Dennoch: Es schadbärt nichts, Problembären auch einmal von einer anderen Seite zu betrachten. Bruno ist nämlich jeden Cent wert.

Violetta Simon

Bruno nervt. Die WM hat viele Mutationen an Hysterie hervorgebracht. Aber was der Bär aus uns macht, schlägt alles: Er spaltet die Nation. Gerade jetzt, so kurz vor der WM, können wir diese Aufregung wirklich nicht gebrauchen. Deutschland - na gut, zumindest Bayern - teilt sich in zwei Lager. Auf der einen Seite die harten Kerle, die sagen: Der Bär muss weg! Auf der anderen Seite die Weicheier, die fordern: Freiheit für den süßen Teddy! Seit Wochen geht das nun so. Und keine Einigung in Sicht.

Das fängt schon an mit der Namensgebung. Die Harten bezeichnen ihn geringschätzig als "JJ1", die Teddyfreunde nennen ihn liebevoll Bruno. Selbst der Papst hat sich schon eingeschaltet. Für die katholische Kirche ist der Fall nämlich klar: Bei dem Tier handelt es sich um den Freisinger Korbiniansbär, der das päpstliche Wappen ziert. Und dass der Bär hier herumlungert, sei kein Zufall, sondern ein Zeichen für den bevorstehenden Papstbesuch. Zielen Sie mal auf so ein Riesentier, wenn ihnen der Papst im Nacken sitzt.

Meute im Bärenkostüm

Und überhaupt ist der Bär nicht einfach ein Bär, nein! Zu Stoibers großem Bedauern kann der Bär zwar nicht als Normalbär durchgehen, sondern muss als Problembär bezeichnet werden. Ein wirklich schlimmer Schadbär ist er aber auch wieder nicht. Und so windet sich das Bayerische Umweltministerium, gefolgt von einer Meute aus Tierschützern, österreichischen Jägern, finnischen Bärenfängern, hechelnden Jagdhunden, neugierigen Touristen, wütenden Bauern und amerikanischen Fallenstellern, durch die Wälder - gefolgt von eifrigen Sponsoren in WWF-Pandabären- und Bärenmarke-Kostümen.

Je nachdem, welche Argumente gerade mehr überzeugen, wird im Laufe der Zeit aus einem Abschussbefehl eine Abschussgenehmigung und später dann eine Abschussempfehlung.

Beschäftigung für Hunderte

Doch was hat die ganze Aufregung gebracht? Nichts! Dass die letzte Hoffnung nun auf einer stählernen Röhre mit Deckel ruht, sagt doch alles. Für 4000 Dollar wurde eine eigens in Montana angefertigte Bärenfalle eingeflogen. Ein Spezialist hatte das Ding zuvor in aller Eile zusammengeschweißt. Und so sieht sie auch aus. Ebenso gut hätte man eine der Belüftungsröhren in der Münchner Schrannenhalle verwenden können. Oder zwei überdimensionale Kondensmilch-Dosen von Bärenmarke.

Mehr als 110.000 Euro und jede Menge Nerven hat uns das Vieh gekostet. Und für die Experten, die ihm auf den Fersen sind, kommen täglich weitere 2500 Euro dazu. 110.000 Euro ist eine Menge Geld. Es gibt sicher eine Reihe von sozialen Institutionen, die von so einem Jahresbudget nur träumen können. In jedem Fall könnte man mit dieser Summe ein Jahr lang jemanden in einem Mittelstandsunternehmen beschäftigen - mit Personalkosten, Sozialabgaben etc.

So gesehen ist das Geld bei Bruno eigentlich ganz gut angelegt. Der beschäftigt derzeit ungefähr 100 mal so viele Menschen - und zwar alle auf einmal.

Deshalb: Lasst Bruno leben, er ist kein Schadbär. Er ist ein ABM-Bär! Unsere persönliche Abschuss-Empfehlung: ein Löwe, der bereits in unmittelbarer Nähe der Bevölkerung gesichtet wurde. Besonderes Merkmal: dämliches Grinsen und keine Unterhose.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: