Großprojekt:"Fair gelaufen"

Großprojekt: Die Schillerstraße hält den europäischen Rekord bei der Hoteldichte. Auf Hausnummer 3 und 3a soll ein neues Motel One entstehen.

Die Schillerstraße hält den europäischen Rekord bei der Hoteldichte. Auf Hausnummer 3 und 3a soll ein neues Motel One entstehen.

(Foto: Catherina Hess)

2019 soll ein Nachkriegsblock an der Schillerstraße einem neuen Motel One mit gut 550 Betten weichen. Der Investor Concrete Capital weist den Vorwurf zurück, Mieter zu schikanieren und lokale Hoteliers zu verdrängen

Von Julian Raff, Ludwigsvorstadt

Am Nordende der Schillerstraße soll ein neues Großhotel mit 280 Zimmern entstehen. Bisher beherbergt der Häuserblock das "City Hotel" mit 100 Betten, Wechselstube, Sportcafé und Beate-Uhse-Laden sowie 35 Wohnungen. Die meisten angestammten Hoteliers ringsum lehnen das geplante Großprojekt weiterhin ab, weil sie ein Überangebot befürchten. Das sehen die Investoren Concrete Capital und Motel One mit Blick auf eigene Marktprognosen naturgemäß anders. Zudem weisen die Bauherren den Vorwurf der Entmietung in den Gebäuden Schillerstraße 3 und 3a von sich und berufen sich auf gütliche Einigungen mit den verbliebenen Bewohnern.

Wie Peter Fritsche, Geschäftsführer der Concrete Capital, nun der SZ bestätigte, hat der Investor in den vergangenen Wochen fünf von sechs noch anhängigen Räumungsklagen kurz vor dem jeweiligen Verhandlungstermin zurückgezogen und stattdessen mit den Mietern Aufhebungsverträge gegen Ausgleichszahlungen und die Vermittlung von Ersatzwohnungen abgeschlossen. Den Vorwurf, es handle sich um prekäre Untermietverhältnisse, weist Fritsche zurück. Es handle sich um direkte Verträge. Die Concrete Capital hat dabei laut Fritsche die Haftung für Mietzahlungen übernommen, soweit diese nicht ohnehin übers Sozialamt laufen.

In einem Fall prozessiert der Investor noch mit dem Eigentümer eines benachbarten Hotels über einen Mietvertrag, den der Nachbar zwecks Unterbringung eines Mitarbeiters abgeschlossen hatte. Mit dem Mann läuft außerdem auch ein Rechtsstreit über den Mietvertrag für ein als Eisdiele genutztes Ladenlokal. Die Einigung mit den verbliebenen Mietern sei "mehr als fair gelaufen", betont der Geschäftsführer. Zumal die gefundenen Ersatzwohnungen in der Regel "deutlich besser" seien als die Unterkünfte im maroden Nachkriegsbau am Hauptbahnhof mit seinem Ungezieferbefall und seiner maroden Statik, die laut Gutachten mittelfristig ohnehin einen Abriss erfordere.

Als völlig veraltet und nicht mehr sicher habe sich auch der Aufzug herausgestellt. Deshalb - und nicht um Mieter zu schikanieren - sei der Lift kürzlich stillgelegt worden, erklärt Fritsche. Der Entmietungsvorwurf werde außerdem aufgebauscht: Von 35 Wohnungen im Haus seien schon mal ein Dutzend an arabische Medizintouristen vermietet gewesen. Hinzu komme eine Vergabe über Airbnb und Ähnliches, so dass tatsächlich kaum mehr als zwölf bis 15 reguläre Mieter dort gewohnt hätten.

Entgegen gekommen sei die Concrete Capital nicht nur diesen, sondern auch Bezirksausschuss, Kreisverwaltungsreferat und Lokalbaukommission (LBK), sagt Fritsche. Die Anlieferung von Bettwäsche, Lebensmitteln und ähnlichem für das Großhotel werde im aktuellen Plan auf das Grundstück selbst verlegt. Für Busse werde eine Kurzhalte-Bucht eingerichtet, wobei Fritsche, gestützt auf die Erfahrungen am Motel-One-Standort Sendlinger Tor, davon ausgeht, dass nur wenige Gäste überhaupt per Bus anreisen. Lärm, Staub und Baustellenverkehr hofft Concrete Capital durch Synergien mit einem nördlich angrenzenden Umbauprojekt in Grenzen halten zu können.

Einen Verdrängungswettbewerb an Europas dichtestem Hotelstandort sollten aus Fritsches Sicht die gut 550 neuen Betten seines Hotelprojekts nicht auslösen. Die Traditionshäuser an der Schillerstraße hätten ihre Stammkunden und zudem eine andere Preisstruktur.

Dies ist einer von vielen Punkten, in denen ein glaubhaft gut vernetzter Nachbar-Vertreter, der aus Furcht vor Repressalien anonym bleiben will, widerspricht. Mit einem günstigen bis mittleren Preissegment steche Motel One genau ins Marktgefüge, das überdies nicht auf Stammkunden zählen könne. Gerade die wichtigen Geschäftskunden ließen sich mit dem Werbebudget eines Großkonzerns nun einmal besser abschöpfen.

Die verbliebenen, bis zuletzt standhaften Mieter, so der skeptische Nachbar weiter, mögen ja tatsächlich fair abgefunden worden sein - allerdings erst, nachdem ein Großteil der Bewohner zuvor durch Einschüchterung dazu gebracht worden sei, selbst zu kündigen und aufs eigene Recht zu verzichten. Eine Räumungsklage per Zweckentfremdungsgenehmigung sei jedenfalls substanzlos, so lange keine Baugenehmigung vorliege. Zwecks Abwendung eines juristischen "Desasters" also und nicht aus sozialem Verantwortungsgefühl heraus habe der Investor da einen Rückzieher gemacht und Aufhebungsverträge abgeschlossen.

Weniger kontrovers als die juristische, wirtschaftliche und soziale scheint die rein baurechtliche Beurteilung des Projekts zu sein. Ob die Lokalbaukommission dem Bauantrag vom Oktober bis zum Jahresende stattgibt, bleibt dennoch fraglich. Sein ursprüngliches Ziel, den Bestand von Anfang 2019 an abbrechen zu lassen, kann Fritsche somit wohl nicht mehr halten, er rechnet aber höchstens mit halbjähriger Verzögerung.

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