Großmarkthalle:Selten tritt der Stadtrat einen Plan so in die Tonne

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Teile der SPD fremdeln mit Axel Markwardt. (Foto: Stephan Rumpf)
  • In einem Jahr geht Kommunalreferent Axel Markwardt in Pension. Seine Lage ist bis dahin nicht besonders kommod.
  • Bei der Sanierung der Münchner Märkte grätscht ihm ständig jemand dazwischen.
  • Dass die SPD intern zerstritten ist, macht dem Kommunalreferenten die Verhandlungen mit der Politik nicht einfacher.

Von Dominik Hutter, München

Jetzt soll es ein Privater richten. Axel Markwardt hatte bereits gewusst, dass er auf eine Niederlage zusteuert, als er vor zwei Wochen den Großen Sitzungssaal des Rathauses betrat. Dass er, wenn er wieder hinausgeht, die Arbeit von Jahren dem Reißwolf übergeben kann.

Der Kommunalreferent ist trotzdem auf Linie geblieben, hat tapfer seine Beschlussvorlage eingebracht, mit der die Verwaltung mit den weiteren Planungen für den Neubau der Großmarkthalle beauftragt werden sollte. Und ist damit untergegangen. Auf Wunsch von SPD und CSU wird das Projekt nun ausgeschrieben - weil die Rathausmehrheit kein Vertrauen mehr in die Kostenprognose der eigenen Verwaltung hatte.

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Alltag ist das nicht. Da die Referenten vom Stadtrat gewählt werden, werden Unstimmigkeiten üblicherweise hinter verschlossenen Türen geklärt. Dass einem Referenten in aller Öffentlichkeit derart radikal dazwischengefahren wird, ist selten.

Es sei denn, der besteht darauf: Als Kulturreferent Hans-Georg Küppers in der Stolperstein-Debatte für die umstrittene Form des Gedenkens plädierte, tat er dies in vollem Bewusstsein dessen, eine Mehrheit gegen sich zu haben. Er wollte in einer moralisch geprägten Debatte ein Zeichen setzen. Aber passt ein solches Verhaltensmuster auch zum vergleichsweise schnöden Neubau einer Verkaufshalle für Obst und Gemüse?

Markwardt selbst beruft sich darauf, dass er einen Stadtratsauftrag aus dem Jahr 2015 ausführte. Damals waren sich alle noch einig, dem Kommunalreferat die Planung für den Neubau zu überlassen. Und Markwardt ist überzeugt, dass sein Weg der richtige war. Aus Sicht mancher Stadträte grenzt dies an Sturheit. "Er hat sich verbohrt", analysiert der erfahrene CSU-Stadtrat Hans Podiuk.

CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl vermutet, dass sich der Behördenchef mit der Großmarkthalle noch schnell ein Denkmal setzen wollte - in knapp einem Jahr geht Markwardt in Ruhestand. Es helfe aber nichts, eine architektonisch schöne Halle zu haben, die dann mangels Mietern leer steht.

Markwardt hat in den vergangenen Monaten einiges einstecken müssen - vor allem rund um die kommunalen Lebensmittelmärkte. Am Wiener Platz grätschte mitten in der Umbaudebatte der Oberbürgermeister dazwischen und erklärte die Hütten, die Markwardt teilweise abreißen wollte, für unantastbar. Am Viktualienmarkt bildete sich aus Kreisen der CSU eine Initiative, die dem Kommunalreferenten eine Strategie des Kahlschlags attestierte.

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Und Kristina Frank von der CSU, vor zwei Wochen als Markwardts Nachfolgerin ausgerufen, profilierte sich in der Debatte über den Elisabethmarkt damit, selbige um mehrere Monate zurückzudrehen - unter besonderer Berücksichtigung der Kritik einer örtlichen Bürgerinitiative, die im Rathaus als unberechtigt empfunden wird.

Das missfiel auch der SPD, dennoch ist nicht zu übersehen, dass Teile der Partei seit einiger Zeit mit dem Genossen Markwardt fremdeln. Ihm wird vorgeworfen, bei den Märkten oft eigenmächtig vorzugehen. Stadträte berichten, Gespräche zwischen Fraktion und Kommunalreferent liefen gelegentlich ruppig ab.

Zudem wird ihm immer noch übel genommen, dass der Kommunalwahlkampf 2014 mit einer peinlichen Hypothek belastet wurde: dem Leerstand Hunderter städtischer Wohnungen, die zu Markwardts Portefeuille gehören. Allerdings ist die SPD-Fraktion gespalten. Die Debatte über die Großmarkthalle war davon geprägt, dass die Sozialdemokraten uneins waren, welchen Weg sie einschlagen sollen.

Es ist bezeichnend, dass unter dem maßgeblichen Antrag zur Privatisierung aller weiteren Planungen der Name der zuständigen Kommunalsprecherin Ulrike Boesser nicht zu finden ist. Sie ist nicht glücklich darüber, wie die SPD plötzlich von einem Teil der Daseinsvorsorge abrückt. Und fragt sich, ob man nicht früher die Notbremse hätte ziehen und noch einmal die Planungen gründlich prüfen müssen - bevor es zur Ausschreibung kommt.

Die Fraktionsspitzen von SPD und CSU aber hatten da schon längst den Verdacht, dass das Kommunalreferat mit gezinkten Karten spielt. SPD-Fraktionschef Alexander Reissl war nach eigener Aussage ziemlich überrascht, als Ende Mai die Ergebnisse der weiteren Planungen und Kostenoptimierungen präsentiert wurden. Begriffe wie "Sowieso-Kosten" hätten gezeigt, dass die Verwaltung mit schlechtem Gewissen anrückt, so Reissl. Markwardts Rechnung sah so aus: Die Halle ist für 105 Millionen Euro zu haben.

Allerdings gibt es noch ein Risikopolster sowie den Lärmschutz, so dass letztlich bis zu 126 Millionen fällig werden. Knapp 35 Millionen kommen für Rohrverlegungen und Altlasten im Boden hinzu. "Das hat jedermann als Trick empfunden", sagt auch Podiuk. Markwardt hingegen beruft sich auf den Stadtratsbeschluss von 2015, in dem ein Rahmen von 142 bis 153 Millionen Euro festgeschrieben war.

Dass die SPD intern zerstritten ist, macht dem Kommunalreferenten die Verhandlungen mit der Politik naturgemäß nicht einfacher. Dazu kommt, dass es bei den Lebensmittelmärkten nur selten politische Lorbeeren zu ernten gibt - weshalb das Thema bis vor einigen Jahren auch kaum eine Rolle im Rathaus gespielt hat. In dieser Zeit, so berichtet ein Insider, habe sich eine gewisse Eigenmächtigkeit der Markthallen-Verwaltung herausgebildet, die im Rathaus nicht gut ankommt.

Knatsch an allen Fronten also. Ohnehin zählt die Großmarkthalle im aktuellen Milliarden-Investitionsplan der Rathausmehrheit nicht gerade zu den beliebtesten Projekten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Reissl selbst einen Umzug an den Stadtrand nicht allzu schlimm gefunden hätte.

Und natürlich ist es für jeden Politiker attraktiver, das neue Volkstheater oder einen Straßentunnel zu eröffnen als eine Halle, die den meisten Münchnern gar nicht offen steht. Insofern ist die Entscheidung, die Investition nicht aus dem Kommunalhaushalt, sondern über Private zu stemmen, die erste der lange erwarteten Sparmaßnahmen. Die Großmarkthalle verschwindet von einer Liste, die ohnehin abgespeckt werden muss, weil man aus finanziellen Gründen nicht alles haben kann.

Eine echte Win-win-Situation also, zumindest aus der Sicht vieler Stadträte: Die neue Großmarkthalle kommt, aber sie fällt nicht der Stadt zur Last. Markwardt sieht das anders: Verzögerungen durch die Ausschreibungen und die damit verbundenen Neuplanungen seien wahrscheinlich - zumal auch eine preisgünstige Halle noch keine genehmigte sei. Die Stadt hingegen habe ihr Rezept in der Schublade: "Wir könnten anfangen." Nur will das keiner mehr.

© SZ vom 08.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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