Süddeutsche Zeitung

Großmarkthalle in München:Eine teure Kur

Marode Gebäude und veraltete Technik verlangen hohe Investitionen: Ob Neubau oder Renovierung, OB Ude rechnet mit dreistelligem Millionenbetrag - Stadtrat entscheidet im Herbst.

Von Jan Bielicki und Astrid Becker

Im Bauch des Bauches von München ist es feucht. Draußen regnet es, und Wasser sickert in die Kellergemäuer der Großmarkthalle. In einer Ecke sind noch Brandspuren zu sehen. Ein Relaisschrank hat - schnell gelöschtes - Feuer gefangen. Brandursache: die Feuchtigkeit. Sie dringt auch in manches Mauerwerk, und das tut der Halle nicht gut. An Kellereingängen stehen stählerne Stützen, um die Decken zu stabilisieren. Bis neue, stärkere Behelfsstützen eingezogen werden, sind die Anlieferzonen direkt darüber gesperrt für schwere 40-Tonner, die nun ein paar Meter von den Hallen entfernt entladen müssen. "Aber einsturzgefährdet sind unsere Hallen bestimmt nicht", beruhigt Rainer Hechinger, der seit 2007 als Zweiter Werkleiter die Geschäfte des städtischen Großmarktes führt. "Natürlich müssen wir etwas für den Unterhalt tun", räumt er ein, "aber wir tun das ja auch."

Was aber alles in der Großmarkthalle zu tun ist, hat im Rathaus gewaltige Aufregung ausgelöst. 125 Millionen Euro könnte eine Sanierung des ganzen Komplexes kosten, so Hechingers grobe Schätzung, die Ende vergangenen Jahres publik wurde (SZ vom 8. Dezember). Welche Summe eine Renovierung des städtischen Betriebs wirklich verschlingen wird, ist allerdings noch völlig unklar: "Ein dreistelliger Millionenbetrag wird es schon sein", vermutet Oberbürgermeister Christian Ude (SPD).

Klar ist: Es werden Investitionen sein, die das riesige Gelände der Münchner Markthallen tiefgreifend verändern könnten. Die Vorstellungen reichen von der schrittweisen Sanierung der Gebäude bis zum Neubau einer neuen, modernen Großmarkthalle auf dem Gelände.

Im September soll der Stadtrat einen Grundsatzbeschluss zur Zukunft der Großmarkthalle fassen. Dessen Tenor wird sein: Die Markthallen werden nicht aus ihrem innerstädtischen Gelände umziehen und keinen Neubau am Stadtrand bekommen. Sie werden zwischen Isarvorstadt und Sendling bleiben, aber sie werden Flächen abgeben - schon um mit deren Verkauf zur Finanzierung der nötigen Umbauten beizutragen. "Dieser Beschluss kostet noch nichts", spottet ein Rathausoberer, "die Schwierigkeiten kommen danach."

Denn wie genau dieses vom OB so genannte Konzept "Sanierung und Konzentration" aussehen wird, ist noch nicht durchgerechnet. Ein Geschäftsplan, aus dem hervorgehen soll, wie der städtische Eigenbetrieb in den nächsten Jahrzehnten wirtschaften will, wie sich Kosten und Einkünfte entwickeln werden und wie er seine Investitionen finanzieren will, ist erst in Arbeit. Dass die Werksleitung der Hallen, an deren Spitze Kommunalreferentin Gabriele Friderich steht, einen so hohen Sanierungsbedarf angemeldet habe, sei "Ende letzten Jahres schon sehr überraschend" gekommen, so Ude.

Ob es wirklich eine so große Überraschung ist, dass der Großmarkthalle eine gründliche und teure Kur bevorsteht, darüber streiten die Abteilungen der Stadtverwaltung. Immerhin ist es fast hundert Jahre her, dass die Hallen eröffnet wurden. 1912 gehörten sie zu den modernsten ihrer Art. "Geplant und gebaut waren sie für Pferdefuhrwerke und Handkarren", erzählt Hechinger - und das bedeutet: nicht für die 40 Tonnen schweren Lastwagen, die heute Früchte, Blumen und Gemüse anfahren. Und natürlich auch nicht für die Anforderungen, denen Betriebsgebäude sich heute stellen müssen. Bei der Renovierung des sogenannten Kontorhauses I etwa, einem von den städtischen Markthallen betriebenes Bürogebäude, fanden erstaunte Elektriker geradezu museumsreife Technik aus der Frühzeit ihres Berufsstandes in den Wänden: Kabel, die noch von Hanf ummantelt waren.

Das Problem der Markthallen ist: Eine wirkliche Generalsanierung des Baubestands hat es nie gegeben. Nach den Bombenschäden des zweiten Weltkriegs wurden zerstörte Hallen rasch wieder aufgebaut, spätere Ausbauten betrafen vor allem die Zufahrten für die Lkw. In den Unterhalt der Großmarkthalle selber steckte die Stadt kaum mehr als das Notwendigste. Erst seit wenigen Jahren, da die Markthallen als Eigenbetrieb nicht mehr unmittelbarer Teil der Stadtverwaltung sind, begann die Werkleitung, nach und nach zu ermitteln, was an den alten Gebäuden wirklich zu reparieren ist. Und das sich die Sanierung nicht allzu lange verschieben lässt, zeigte sich erst vor drei Wochen: Gaststätten und Geschäfte, die in der ehemaligen Sortieranlage vor dem Westtor des Großmarktes untergebracht waren, mussten plötzlich schließen - wegen Einsturzgefahr.

Ob es sich lohnt, die bestehenden Hallen, in denen heute der Handel mit Früchten läuft, in ihrem jetzigen Zuschnitt zu sanieren, erscheint ohnehin fraglich. Denn umfangreiche Bauarbeiten könnten den Großmarkt-Betrieb stark beeinträchtigen. Ein Neubau dagegen, der auf dem heutigen Lkw-Parkplatz am Markt-Osttor an der Schäftlarnstraße entstehen könnte, hätte mehrere Vorteile für den Betrieb. Steht er, könnten die Händler sofort in eine moderne Halle umziehen, die mit kurzen Wegen und flexiblen Standflächen den Bedürfnissen des Großhandels entspricht und auch deutlich weniger Betriebskosten frisst als der Altbau. Auch anstelle der dann leeren Hallen 2 bis 6 könnten anschließend moderne Gebäude entstehen, in die wiederum die heute im Viehhof nördlich der Bahnlinie untergebrachten Feinkosthändler einziehen könnten. Das Gelände des Viehhofs wiederum wäre dann frei - und als Baugebiet gut loszuschlagen.

Doch ob solche Pläne auch finanziell aufgehen, muss die Stadt erst ausrechnen. Der OB will die ohnehin strapazierte Stadtkasse nicht allzu sehr belasten. Die Markthallen selbst, so Ude, "werden einen Großteil der Kosten tragen." Für die fast 500 Händler in den Hallen bedeutet das, dass sie künftig "selbstverständlich mehr zahlen müssen", das kündigt der OB an. Mit dem Schicksal der nebenan geplanten Moschee will Ude die Hallen-Pläne nicht verknüpfen: "Das hat damit nichts zu tun." Noch ist unklar, wann die vorgesehene Garage für die Hallen-Mitarbeiter errichtet wird, wenn die Moschee nicht gebaut wird. Dann können sie ihre Autos noch etwas länger am Gotzinger Platz parken.

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SZ vom 08.07.2009/wib
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