Süddeutsche Zeitung

Großmarkthalle:"Es geht um Sendling"

Kommunalreferent Axel Markwardt im Gespräch über die Neubaupläne für die Großmarkthalle, die Kosten und die Bedeutung des Areals für das Leben im Viertel sowie den Frieden in der Stadt

Interview von Birgit Lotze

Die Händler in der Großmarkthalle sind nervös: Sie wollen wissen, ob sie in Sendling bleiben können. Auch der Auszug ganz raus aus der Stadt steht im Raum, denn: Die alten Hallen in Sendling sind seit Jahrzehnten marode. Jetzt steht zwar ein Konzept für eine neue Halle, im Stadtrat fanden die Pläne zunächst große Unterstützung. Dann wurden jedoch Befürchtungen laut, dass der Neubau doppelt so teuer wie vom Kommunalreferat veranschlagt werden könnte. Die CSU hat deshalb Widerstand angekündigt, auch die SPD hadert. Im Juli soll entschieden werden, ob und unter welchen Bedingungen überhaupt eine neue Halle gebaut wird. Axel Markwardt, als Kommunalreferent auch Münchens oberster Markt-Chef, hat die Pläne jetzt abgespeckt.

SZ: Herr Markwardt, wie groß ist die Gefahr, dass Sendling und damit München den Großmarkt verliert?

Axel Markwardt: Das kann ich im Moment noch nicht einschätzen. Aber es gibt viele Stadträte, die beim Thema Großmarkthalle die Augenbrauen hochziehen und nur an die Kosten denken.

Wie wollen Sie die Stadträte überzeugen?

Zum einen über die Kosten. Ohne Risikozuschlag ist die Großmarkthalle nach derzeitigen Berechnungen mit 105 Millionen Euro im von Anfang an kommunizierten Bereich. Dazu kommen Kosten für die Vorbereitungen; wir müssen Leitungen im Untergrund entfernen, damit die Halle gebaut werden kann. Auch damit liegen wir noch im Bereich unter 150 Millionen Euro.

Was ist mit dem Risikozuschlag?

Über den entscheidet der Stadtrat, üblich sind 17,5 Prozent. Ich werde einen Risikozuschlag von zehn Prozent vorschlagen.

Wie wollen Sie denn diese Risiko-Regel umgehen?

Wir wollen einen Generalunternehmer beauftragen, der die ganze Halle baut. Da ist ein höherer Risikozuschlag meiner Meinung nach nicht notwendig.

Wo haben Sie bei der Planung abgespeckt?

Wir haben an Flächen gespart und am Bau selbst.

Wo sparen Sie Flächen?

Wir verzichten auf zwei kleinere Hallen. Außerdem lassen wir den alten Wertstoffhof stehen, bauen keinen neuen. Ebenso sparen wir die Verschönerungen am Lkw-Parkplatz Schäftlarnstraße. Ein wichtiger Brocken ist die Tiefgarage: Die wollen wir anheben, müssen also weniger tief in den Untergrund vordringen. Dadurch wird sie zwar niedriger, doch große Lkw werden dann eben ebenerdig be- und entladen.

Wo sparen Sie an der Halle, die ja schon als Schmuckstück angekündigt wurde?

Na ja, das Gründach fällt dann weg. Bei der Halle selbst werden Tragwerk und Elektroinstallation optimiert. Die hochwertige Deckenuntersicht machen wir auch aus einfacheren Materialien.

Was bleibt von der Glasfront zur Alten Thalkirchner Straße, neben dem Dach galt das als Clou des Hallenentwurfes?

Die Fassade vereinfachen wir deutlich. Sie wird weder so hochwertig noch so edel, wie vom Architekten ursprünglich vorgesehen. Man wird nicht überall in die Halle hineingucken können. Weniger als die Hälfte der Glasfläche bleibt übrig.

Die Diskussion wird derzeit rein ökonomisch geführt. Gleichzeitig investiert die Stadt ein Vielfaches der Kosten in Kulturprojekte - ins Volkstheater und in den Gasteig. Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass der Großmarkt zurückstecken soll?

Die Großmarkthalle hat auch etwas mit Flair, mit Kultur und Lebensgefühl zu tun. Bei dem Projekt geht es um viel mehr als nur um Obst und Gemüse, es geht auch um die Identität des Großmarkthallenviertels. Es geht um Sendling.

Es ist auffällig, dass im ganzen Stadtviertel niemand gegen den Neubau einer 500 Meter langen Halle protestiert ...

Die Unterstützung in Sendling für die Großmarkthalle ist uneingeschränkt, das ist etwas Seltenes. Man muss sich vorstellen, der Großmarkt ist schon seit hundert Jahren dort. Er hat großen Einfluss auf das Lebensgefühl im Stadtviertel.

Die Großmarkthalle hat zumindest der um sich greifenden Gentrifizierung keinen Vorschub geleistet.

Am Großmarkt hängen mehr als 2500 Arbeitsplätze, davon viele für Minderqualifizierte. Dass so was möglich ist, hat auch große Bedeutung für den Stadtfrieden. Ganz wichtig ist auch, dass von dort aus ein Großteil der Bedürftigen versorgt wird, die Münchner Tafel ist in der Großmarkthalle beheimatet. Die Tafel bekommt auch viele Spenden von den Händlern. Sind die nicht da, gibt es die Spenden nicht mehr.

Der Großmarkt soll sich nach Ihren Plänen Richtung Isar hinter die Alte Thalkirchner Straße zurückziehen. Damit fallen große Flächen an die Stadt zurück ...

Dort kann man dann geförderten Wohnungsbau realisieren und anderes. Auch deshalb wird die Großmarkthalle Sendling einen richtigen Schub geben. Nicht in Richtung Schlafstadt, man kann dann was richtig Tolles machen, um den Grundcharakter dieses Stadtteils zu erhalten.

Der Charakter des Viertels bliebe wohl nur gewahrt, wenn der Großmarkt bleibt. Könnte es sein, dass die Stadt das komplette Areal mit Wohnungen bebaut?

Der Druck auf die Stadt ist gewachsen, Wohnungsbau zu betreiben, wo immer es geht. Ich schließe daher nicht aus, dass die Wohnungen, die bald auf dem Viehhof und nach Fertigstellung der neuen Großmarkthalle westlich der Thalkirchner Straße entstehen können, noch nicht ausreichen.

Sie sagen, der Großmarkt soll als Kulturgut erhalten bleiben. Aber wird er wirklich gebraucht in München? Die Einkäufer melden sich in der Standortdebatte nicht zu Wort.

Die komplette Gastronomie und alle kleineren Einzelhändler kaufen dort ein. Vor die Tore der Stadt würden sie nie fahren. Geht die Halle aus München raus, werden die kleinen Händler zu Monopolisten gehen. Damit würde der Monopolisierung Vorschub geleistet. Schon deshalb kann die Stadt eigentlich auch nicht wollen, dass die Großhändler vertrieben werden.

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Quelle:
SZ vom 09.06.2017
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