Großer Schlag gegen chemische Drogen:Tonnenweise Stoff beschlagnahmt

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Der Hauptverdächtige bei einer großangelegten Drogenrazzia stammt aus Fürstenfeldbruck. Er soll im großen Stil Chemikalien verkauft haben, aus denen Liquid Ecstasy hergestellt wurde.

Pia Röder

"Bitte berühren Sie die Ausstellungsstücke auf keinen Fall. Der Inhalt ist hochgiftig!". Mit Nachdruck weist Ludwig Waldinger, der Pressesprecher des Landeskriminalamtes München (LKA) darauf hin. Die mit einem schwarzen Totenkopf gekennzeichneten Kanister und die braunen Chemieflaschen stehen ordentlich aufgereiht auf dem Tisch im Presseraum des LKA in der Maillinger Straße. Der gefährliche Inhalt: Unter anderem die Industriechemikalie GBL (Gamma-Butyrolacton).

Behälter mit sichergestellten Chemikalien im Bayerischen Landeskriminalamt in München ausgestellt. (Foto: Foto: AP)

Dieses ätzende Lösungsmittel ist Mittelpunkt einer deutschlandweiten Großrazzia, an der mehr als 2800 Polizisten, 600 allein aus Bayern, beteiligt waren. 150 Orte wurden im Freistaat am Mittwoch durchsucht, 340 im ganzen Bundesgebiet. An den Ermittlungen waren neben dem Bayerischen LKA und der Staatsanwaltschaft München II auch die Staatsanwaltschaft Verden und die Kriminalinspektion Lüneburg beteiligt. Kriminalrat Mario Huber spricht von der "größten derartigen Aktion", die je stattgefunden hat: "Ich habe in meiner 18-jährigen Dienstzeit nichts Vergleichbares erlebt."

Warum so ein Wirbel um ein Lösungsmittel? Viele missbrauchen die Chemikalie als Droge und berauschen sich daran. Denn GBL wird im Körper zu einem anderen Stoff ungewandelt, der sich Gamma-Hydroxybutyrat (GHB) nennt - besser bekannt als Liquid-Ecstasy. Eine aufputschende Partydroge, die auch Frauen in Getränke gemischt wird, um sie willenlos zu machen. "Rape Drug", Vergewaltigungsdroge, wird sie genannt.

"Schwunghafter Handel über das Internet"

Am Mittwochmorgenhaben Einsatzkräfte ein Einfamilienhaus in Fürstenfeldbruck gestürmt, den Wohnsitz von Walter G., Chemielieferant und einer der Hauptverdächtigen. In der Garage, im Keller und auf der Terrasse soll er literweise das giftige GBL gelagert haben, um es im Internet an andere Chemielabore oder Privatpersonen zu verkaufen, die daraus die Party-Droge herstellen.

Seit 2004 ist bekannt, dass der Grundstoff GBL zu Liquid Ecstasy umgewandelt wird und als Rauschmittel gilt. Seine Anfänge hatte die synthetische Droge in der Raver- und Technoszene in den 90er Jahren in Großbritannien. Wegen der aufputschenden Wirkung ist die Droge heute bei vielen Konsumenten sehr beliebt. Je nach Dossierung wirkt die Droge entspannend, macht euphorisch oder kann im schlimmsten Fall bis zum Koma und schließlich zum Tod führen. Ungefähr zehn Todesfälle, verursacht durch GHB, sind in Deutschland bekannt.

Bereits seit Juni 2007 ist Walter G. im Visier der Münchner Staatsanwaltschaft. Einen "schwunghaften Handel mit Industriechemikalien über das Internet" soll G. betrieben haben, so Oberstaatsanwältin Dagmar Illini. Der 37-Jähige räumte ein, dass er mit den Chemikalien zwar gehandelt, allerdings nicht gewusst habe, dass er sich damit strafbar macht.

Tonnenweise Chemikalien in mehreren LKW-Ladungen

Staatsanwältin Illini ist da anderer Ansicht. Er habe durchaus gewusst, dass seine Kunden sich mit GBL in erster Linie berauschen und es nicht dafür benutzen wollen, Etiketten von CD-Hüllen zu entfernen. Schon früher fiel G. als Lieferant von Drogenlaboren auf, in denen Amphetamine und Liquid XTC hergestellt wurde. Mit dem Besitz und Konsum des Lösungsmittels selbst macht er sich nicht strafbar. Da er es aber an andere mit dem Wissen, dass sie damit Drogen herstellen, verkauft habe, verstosse er gegen das Arzneimittelgesetz. Im Extremfall droht ihm eine Strafe von bis zu 15 Jahren.

In Portionen von 250 Milliliter bis hin zu mehreren Litern verkaufte G. die Chemikalie an seine Kunden. Und das für ein Vielfaches seines Einkaufspreises. Der liegt etwa bei vier bis fünf Euro pro Liter. Zusammen mit einem Kollegen aus Lüneburg, gegen den auch aktuell ermittelt wird, hatte er rund 800 Abnehmer in Deutschland und dem Ausland. Walter G. hatte wahrscheinlich einen Komplizen aus Neu-Ulm. Den Einsatzkräften war es bislang nicht möglich, alle Chemikalien und Verpackungsmaterialien aus den beiden Wohnung in Neu-Ulm und Fürstenfeldbruck abzutransportieren. Fünf bis sechs LKW-Ladungen sind es insgesamt, schätzt Kriminalrat Huber.

Die Razzia sei ein großer Erfolg gewesen, so Huber. Und das Hauptziel, die anonyme Beschaffung von Drogen über das Internet zu reduzieren, sei erreicht worden. "Doch uns steht noch jede Menge Arbeit bevor", sagt Oberstaatsanwältin Illini und blickt auf die ausgestellten Chemikalien.

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