Süddeutsche Zeitung

Große Reise:Im Kajak bis zum Schwarzen Meer

Bernhard Buckl, 71, hat sich einen Jugendtraum erfüllt und ist mit dem Boot von Ingolstadt aus über die Donau bis nach Sfântu Gheorghe in Rumänien gepaddelt

Von Katharina Güntter, Kirchseeon

Rechts, links, rechts - das Boot passiert einen großen Kanal im Donaudelta. Links, rechts, links. Es steuert auf das Ufer zu. Das Wasser ist voller Schlamm. Man muss vorsichtig sein, um beim Aussteigen nicht auszurutschen. Rechts, links, rechts. Bernhard Buckl zieht wieder das Paddel durch das Wasser. Dann, am Ufer, passiert es: Sein Kamerad rutscht beim Aussteigen aus und fällt. Er verletzt sich schwer an der linken Schulter, ausgerechnet hier, wo weit und breit keine Menschen unterwegs sind. Die Gruppe holt ein Schiff heran, das den Patienten zur nächsten Straße und dann ins Krankenhaus bringt. Dank schmerzstillender Mittel ist er transportfähig für die Heimreise.

2500 Kilometer Kajakfahren. Eine Strecke voller Erlebnisse, die nicht jeder auf sich nehmen würde. Doch Bernhard Buckl, 71 Jahre alt, hat sich so einen Jugendtraum erfüllt. In zwei Etappen paddelte er auf der Donau von Ingolstadt bis ans schwarze Meer. 2015 legte er den ersten Teil der Strecke zurück - 1000 Kilometer bis nach Mohács in Ungarn. Jetzt, drei Jahre später, ruderte er 1500 Kilometer von Mohács bis nach Sfântu Gheorghe, Rumänien.

Aufgewachsen in München, begann Buckl bereits in seiner Jugend mit dem Kajakfahren. Damals unternahm er noch Wildwassertouren in eher kleinen Booten und ohne Gepäck. Heute widmet er sich lieber etwas geruhsameren Wanderfahrten. Größere Boote, Platz für Gepäck, Fahrten auf ruhigen Gewässern. Wandern mit dem Kanu eben.

Als leitender Angestellter in einer Großbank hatte er sein Leben lang mit Arbeit und Familie viel zu tun. Vor acht Jahren ist er in den Ruhestand gegangen und nutzt seine Freizeit nun für sportliche Aktivitäten. Im Ruhestand hatte er nun auch Zeit, sich seinen Jugendtraum zu erfüllen. Mit der Organisation "Tour International Danubien" (TID) legte er die gesamte Strecke zurück. Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, verschiedenen Kulturen die Möglichkeit zu geben, sich kennenzulernen und Freundschaften zu schließen, und somit Frieden zwischen den Völkern zu schaffen. Sie war die einzige sportliche Institution, die bis zur Wende 1989 jedes Jahr Ost- und Westdeutsche zusammenbrachte, um gemeinsam ans schwarze Meer zu paddeln.

Wer mit dem Kajak Tausende Kilometer über die Donau mit ihren zehn Anrainerstaaten fährt, lernt viele Menschen aus verschiedensten Ländern kennen. Mit dabei waren diesmal australische Olympiateilnehmer - zwei ältere Damen - Engländer, Holländer, Norweger und Schweizer. 40 bis 60 Kilometer am Tag legten die Sportler - die meisten in Buckls Alter - zurück, und das sechs Wochen lang. "Es gab nur einen Ruhetag in der Woche. Der war meistens in einer Großstadt", sagt Buckl. Um die 100 Frauen und Männer stellten sich der großen Anstrengung, die Wind und Wetter mit sich brachte. Oft genug mussten sie morgens um vier Uhr aufstehen, frühstücken, Sachen zusammenpacken und um sechs Uhr ab aufs Kanu, um die vergleichsweise kühleren Temperaturen zu nutzen, die selbst in der Früh schon um die 25 Grad lagen. Wie hält man so was durch?

"Es war sehr anstrengend. Ich hatte mehrmals Tiefpunkte, besonders bei langen Passagen mit 50 bis 60 Kilometern am Tag. Ich war froh, wenn ich abends das Ziel erreicht hatte und mit dem schweren Boot aus dem Wasser rausgekommen bin. Nach dem Essen und Trinken ging es besser."

Um sich auf die Fahrt vorzubereiten, hatte Buckl größere Wandertouren mit seiner Frau unternommen, bei denen sie um die 120 Kilometer zurücklegten. Seine Frau hatte ihn zwar bei den Vorbereitungen unterstützt, ihr selbst war die Herausforderung aber zu groß gewesen. Doch Buckl war das große Erlebnis, das Zusammenkommen mit den Menschen aus aller Welt, die Anstrengung wert. Die meisten hatten das Ziel, bis ans Schwarze Meer zu kommen, andere wollten nur eine Teilstrecke schaffen.

Buckl hat die Menschen in den Balkanländern während seiner Bootstour als solidarisch erlebt. Dorfbewohner haben für die Gruppe gekocht und Volkstänze vorgeführt. Ihre Lebensfreude hat Buckl beeindruckt - trotz der schlechten Hygiene: Die Toiletten hatten keine Klospülung, auch richtige Duschen hat es oft nicht gegeben. "Die Menschen haben eine gewisse Zufriedenheit, sind oft ruhiger und nehmen die Dinge nicht so ernst. Ich versuche, das beizubehalten."

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Quelle:
SZ vom 15.10.2019
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