Große Nachfrage:Seriöse Entspannung

Die Thai-Massage erlebt in München einen Boom, immer mehr Salons eröffnen in der Stadt. Das Schmuddelimage ist längst überholt, die Studios haben ansprechende Wellness-Angebote

Von Franziska Gerlach

Die Neun ist eine Glückszahl in Thailand. Neun Thai-Massage-Studios reichen deshalb, findet Ornpreeya Hoffmann. Ein weiteres will sie nicht eröffnen. "Not yet", sagt sie. Die in München lebende Thailänderin lächelt sanft, so wie man es wohl nur vermag, wenn man auf einer Woge der Tiefenentspannung durchs Leben gleitet. Oder aber die Inhaberin von Bua Siam ist, dem größten der Münchner Thai-Massage-Studios. In Schwabing, Pasing, am Rotkreuzplatz und an der Schwanthalerhöhe betreibt Hoffmann Dependancen, im Dezember hat die 48 Jahre alte Unternehmerin noch eine in Haidhausen eröffnet - eben ihr neuntes Studio.

An einem Mittwochnachmittag stehen Ornpreeya Hoffmann und ihr Mann Detlef Hoffmann, der sich unter anderem um Buchhaltung und Marketing kümmert, in Haidhausen auf der Straße und inspizieren die Hauswand. "Da", sagt Detlef Hoffmann und deutet auf eine Fläche über den großen Fenstern, wäre der ideale Platz für ein Schild. Damit der jüngste Ableger auch von der Inneren Wiener Straße aus gesehen wird. Drinnen, vor den dunkelroten Wänden mit dem kunstvollen, goldenen Blättergemälde, bezahlt Antje Veronika Müller ihre Anwendung. Ihre Wangen sind gerötet. Schön war's, wieder einmal. Seit sie vor einigen Jahren in Thailand im Urlaub war, ist sie ein Fan der traditionellen Massagetechnik, die Verspannungen lösen und den Kreislauf anregen soll. Dass es inzwischen auch in München "an jeder Ecke" ein Studio gebe, freut sie natürlich. "Das ist eine richtige Instanz geworden in der Stadt."

Seit einigen Jahren erlebt die Thai-Massage einen Boom, ein Ende scheint nicht in Sicht. Der Industrie- und Handelskammer (IHK) zufolge haben 2014 insgesamt 20 Bürger thailändischer Herkunft einen Massagesalon in der Landeshauptstadt eröffnet, 2015 waren es 22. Die traditionelle Thai-Massage verbindet Dehnungsübungen mit Akupressuren, und die werden quasi mit jedem Körperteil ausgeführt: Mit den Handballen, Knien, Ellbogen, Daumen und selbst mit den Füßen darf gedrückt werden. Ganz sittsam, versteht sich. Wer der Thai-Massage in München nachspürt, der findet sich in liebevoll gestalteten Behandlungsräumen wieder, in einer Welt von dickbäuchigen Buddhas und Kunstblumen, Kräutertees, duftenden Ölen und heißen Steinen. Er landet aber auch in dunklen Fluren mit blinkenden Werbetafeln - und auf Internetseiten, deren Betreiber sich ausdrücklich von erotischen Leistungen distanzieren.

Auch wenn es solche Angebote gibt in der bayerischen Landeshauptstadt, so hat es die Thai-Massage im Grunde gar nicht mehr nötig, sich gegen das Klischee des Anrüchigen zu wehren. "Das hat sich gewandelt vom Schmuddelimage zu einem vernünftigen Wellnessangebot", sagt Michael Penzler, Geschäftsführer der Gesellschaft für Thai Spa Management (GTSM) im hessischen Knüllwald. Der 2014 gegründete Verein hat in Abstimmung mit dem thailändischen Gesundheitsministerium Qualitätsstandards für deutsche Einrichtungen erarbeitet. Wer sich wie Bua Siam in München durch die GTSM zertifizieren lassen möchte, muss einige Kriterien erfüllen: Sauber müssen die Studios selbstredend sein, der Verein inspiziert aber auch die verwendeten Produkte, bewertet die Einrichtung und die Umgebung. Und das Personal muss nicht nur zuvorkommend sein, sondern auch entsprechend qualifiziert.

Wie das Referat für Gesundheit und Umwelt mitteilt, ist die Eröffnung eines Studios nicht an medizinische Qualifikationen gebunden. "Thai-Massage-Studios sind grundsätzlich unter Wellness zu verzeichnen", sagt Sprecher Alois Maderspacher. "Besteht allerdings ein Verdacht auf Ausübung der Heilkunde, dann greift das Gesundheitsamt schon ein." Wer also damit werbe, mit fünf Massagen einen schmerzenden Rücken zu kurieren, der wird "einer Einzelfallprüfung" unterzogen. Rein theoretisch, denn in den letzten Jahren habe man keine Fehltritte zu beklagen.

Ornpreeya Hoffmann eröffnete ihr erstes Studio 2008 in Pasing - zu einer Zeit, als die Nachfrage gerade anzog. Schon in Bangkok, wo sie Hotelmanagement studiert hat, ging Hoffmann leidenschaftlich gerne zur Massage. Als die Thailänderin ihrem Mann 2003 nach München folgte, machte sie sich auf die Suche nach vergleichbaren Angeboten. Sie fand aber nichts, was ihr gefiel. Die klassische Gründungsgeschichte also. Die Studios seien sehr gut angenommen worden, sagt ihr Mann Detlef Hoffmann. "Lucky" sei man da gewesen. Nicht nur, weil man einen damals noch nicht gesättigten Markt aufgetan hatte. Sondern weil man mit der Expansion "anspruchsvolle und interessante Arbeitsplätze für thailändische Mitarbeiterinnen in München schaffen" konnte.

Große Nachfrage: Ornpreeya Hoffmann und ihr Mann Detlef Hoffmann betreiben in München neun Thai-Massage-Studios.

Ornpreeya Hoffmann und ihr Mann Detlef Hoffmann betreiben in München neun Thai-Massage-Studios.

(Foto: Catherina Hess)

Dass in den vergangenen Jahren ausgerechnet an der Isar die Studios wie Pilze aus dem Boden schossen, passt zum Bild vom gesundheitsbewussten Münchner, der bereitwillig in die Tasche greift, um Stress im Job zu kompensieren. Für eine Thai-Massage muss man weder wochenlang auf einen Termin warten, noch benötigt man ein Rezept. "Das ist eine kurze Zeit der Erholung, die man in die Freizeit einbauen kann", sagt Detlef Hoffmann. Auch mit der Sehnsucht nach fernöstlicher Ausgeglichenheit könnte man das Wachstum der vergangenen Jahre noch untermauern. Letztlich sind Trends aber eine vage Angelegenheit. Und statt sich in Spekulationen zu ergehen, sagt Michael Penzler von GTSM, der selbst mit einer Thailänderin verheiratet ist, lieber: "Die Thais kopieren gerne erfolgreiche Konzepte." Und einer hatte ganz offenbar einmal die Idee, dass Massagen das sind, was Deutschland braucht.

Auch an der Isar schaut der eine Thai ganz genau auf das, was der andere gerade macht. Nicht nur das Ehepaar Hoffmann hat die Entwicklung im Blick, auch La-ongdao Munsri beobachtet die Branche und tauscht sich regelmäßig mit ihren Mitbewerbern aus. "80 Prozent der Thais hier kennen sich", sagt die 29 Jahre alte Studioinhaberin. Ein Gerangel um die Gunst der Münchner sei aber nicht ausgebrochen. "Kunden wegnehmen? Das geht gar nicht", sagt Munsri. "Wenn der Kunde zufrieden ist, dann wird er auch bleiben." Im Februar hat sie ein Studio an der Buttermelcherstraße übernommen, ihre Mutter hilft ihr. Dao Rueang heißt es: Ringelblume. Drei Massageliegen hat Musri mit Decken überzogen, auf denen Elefanten abgebildet sind. Gleich beim Eingang steht noch das Solarium des Vorbesitzers. Komisch? Nicht wirklich.

Denn so mancher Unternehmer versteht die Thai-Massage offenbar als lukratives Zusatzleistung. Sauna plus Thai-Massage, Kosmetikstudio plus Thai-Massage, das alles gibt es in der Stadt. Nach und nach seien auch die Vietnamesen ins Massage-Geschäft eingestiegen, deren Domäne ja eigentlich die Nagel-Studios sind, berichten Hoffmann und Munsri. Großanbieter wie Bua Siam sind in diesem dynamischen Markt allerdings die Ausnahme. In Deutschland gebe es kein vergleichbares Konzept, sagt Michael Penzler vor der GTMS. Als Grund nennt er die Vorliebe der Thailänder, selbstständig zu arbeiten. Die meisten von ihnen, sagt er, wollten einfach ihr eigener Herr sein. Das habe etwa auch in Berlin zu einem Netz von vielen kleinen Studios geführt. Lauter Einzeltäter also, so wie auch La-ongdao Munsri an der Buttermelcherstraße.

"Sie sagen mir, wenn es zu fest ist, okay", fragt sie ihre Kundin. "Hmm", seufzt es hinter dem Vorhang. Massieren, das kann Munsri, in Bangkok hat sie gelernt, wie Muskeln und Sehnen im Körper verlaufen. Was die alleinerziehende Mutter aber völlig überforderte, als sie im Jahr 2009 erstmals ein eigenes Studio in München eröffnete, das waren die Behördengänge. "Ich war ein Neuling, hatte keine Erfahrung, der Papierkram war zu viel", sagt sie. Der zweite Versuch klappte dann besser, sie hatte einige Erfahrungen gesammelt. Gut 20 Stammkunden hat sie inzwischen. Um neue zu gewinnen, macht sie das, was alle machen, egal in welcher Branche: Happy Hour, Flyer verteilen, Rabatt-Angebote für die Ferien. "Es läuft", sagt Munsri. Im Winter bald sogar wieder besser als im Sommer.

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