Große Koalition:Ohne Liebe, ohne Leiden

Ein Jahr Koalition im Rathaus - darauf blicken CSU und SPD ganz pragmatisch und unaufgeregt

Von Andreas Glas

Der Tisch war hübsch gedeckt, das Besteck poliert, die Servietten zum Tafelspitz gefaltet, sogar das Licht gedimmt. Ein ziemlich romantischer Rahmen für einen ziemlich nüchternen Anlass. "Ein Jahr schwarz-rote Kooperation: die Zwischenbilanz" lautete der Titel der Veranstaltung, zu der SPD und CSU am Dienstag geladen hatten. Und damit auch wirklich keine romantische Stimmung aufkam, stellte CSU-Fraktionschef Hans Podiuk gleich zu Beginn klar, dass hier "keine Liebesheirat" gefeiert werde, sondern "eine Zweckehe, die ganz pragmatisch und unaufgeregt funktioniert".

Das erste gemeinsame Jahr hat die Rathaus-GroKo nun also hinter sich gebracht. Und so pragmatisch SPD und CSU in dieser Zeit Politik betrieben haben, so pragmatisch klangen die beiden Fraktionschefs, als sie im Gewölbe des Ratskellers auf dieses erste Jahr zurückblickten. Es sei nun mal das Wesen einer Koalition, dass beide Seiten nie ganz zufrieden seien, sagte CSU-Fraktionschef Podiuk. Letztlich gehe es in einer Koalition darum, "dass die Punkte, die wir vereinbart haben, abgearbeitet werden müssen".

Alexander Reissl, Chef der Rathaus-SPD

Alexander Reissl führt die SPD-Fraktion an.

(Foto: Florian Peljak)

Als "größte gemeinsame Leistung" bezeichnete Podiuk, dass es gelungen sei, das städtische Klinikum vor der Insolvenz zu retten. Ein Erfolg sei auch die Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung gewesen, genauso wie der Beschluss einer milliardenschweren Schulbauoffensive, in deren Rahmen bis 2030 Dutzende Schulen neu gebaut oder saniert werden sollen. Außerdem habe die Koalition die Unterbringung der vielen Flüchtlinge "einigermaßen gut organisiert".

Auch SPD-Fraktionschef Alexander Reissl zählte auf, was die Koalition aus seiner Sicht im vergangenen Jahr erreicht habe: Dass der Marienplatz komplett zur Fußgängerzone wird, dass das Budget für den Ausbau von Radwegen auf zehn Millionen Euro erhöht wurde, dass Eltern ihre Gebühren zurückbekommen, wenn in städtischen Kindertagesstätten gestreikt wird. Euphorisch klang auch Reissl nicht, doch ein Problem scheint er nicht damit zu haben, dass die Arbeit mit der CSU geschäftsmäßiger abläuft als zuvor mit den Grünen. "Man kann politische Partnerschaften ideologisch überhöhen oder pragmatisch sehen. Ich neige zur pragmatischen Lösung", sagte Reissl - ein vergifteter Gruß an den früheren Koalitionspartner.

Große Koalition: "Zweckehe": Die SPD-Fraktion regiert nun mit Hans Podiuks CSU.

"Zweckehe": Die SPD-Fraktion regiert nun mit Hans Podiuks CSU.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Bilanz des ersten Jahres ließen beide Fraktionschefs einen Ausblick auf die kommenden fünf Jahre der schwarz-roten Zusammenarbeit folgen. Die größte Herausforderung werde dabei die wachsende Einwohnerzahl sein, sagte Podiuk, "hierauf wird sich unsere Arbeit in den nächsten Monaten konzentrieren". Man werde deshalb den U-Bahn-Ausbau genauso vorantreiben wie die Untertunnelung von Abschnitten des Mittleren Rings. Außerdem erwartet Podiuk, dass noch in diesem Sommer eine endgültige Entscheidung über den Bau einer zweiten S-Bahn-Stammstrecke fällt.

Die SPD-Fraktion wiederum will sich dafür einsetzen, dass Genehmigungsverfahren beim Wohnungsbau nicht mehr so lange dauern wie bisher. "Das muss einfach kürzer werden, schneller gehen", sagte Reissl. Außerdem wolle man noch vor der Sommerpause die Generalsanierung des Gasteigs und die Umsetzung des Klinik-Sanierungskonzepts beschließen. Weitere konkrete Projekte nannte Reissl nicht, warnte aber vor zu großen Erwartungen an die schwarz-rote Koalition: "Natürlich gibt es auch Themen, bei denen sich die Haltungen unserer Fraktionen unterscheiden." Dass die Koalition vorzeitig zerbrechen könnte, glaube er allerdings nicht.

Und falls doch, dürfte sich wenigstens der Schmerz im Rahmen halten. "Wenn am Anfang die Liebe nicht so groß ist, kann am Ende auch die Enttäuschung nicht so groß sein", sagte Reissl.

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