Süddeutsche Zeitung

Großbaustelle:Start frei für fünf Jahre Verkehrschaos

  • Der U-Bahnhof Sendlinger Tor wird bis zum Jahr 2022 großflächig umgebaut. Auch Autofahrer müssen sich auf drastische Auswirkungen einstellen.
  • Diverse Abbiegespuren fallen weg, andere werden verlegt. Auch beim U-Bahn-Verkehr wird es Einschränkungen geben.
  • Bereits kommende Woche beginnen die ersten Arbeiten im Untergrund.

Von Andreas Schubert

45 Jahre seien für einen Menschen kein Alter, sagt Ingo Wortmann, der Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft. An einem U-Bahnhof dagegen nagt die Zeit dermaßen, dass nach 45 Jahren Schönheitskorrekturen nicht mehr ausreichen. So wird die Station Sendlinger Tor nun bis zum Jahr 2022 komplett erneuert. Das wirkt sich nicht nur auf die Fahrgäste im Untergrund drastisch aus, sondern auch auf den oberirdischen Verkehr. Die Vorarbeiten laufen seit Längerem, im Frühjahr legen die Stadtwerke (SWM) richtig los.

Wie bereits an anderen U-Bahnhöfen auch, hat Streusalz dem Betondeckel von oben so zugesetzt, dass dieser dringend saniert werden muss. Dies nehmen die SWM zum Anlass, die Station Sendlinger Tor den heutigen Anforderungen anzupassen. Denn die mittlerweile etwa 150 000 Passagiere, die den Verkehrsknoten täglich nutzen, treten sich schon lange gegenseitig auf die Füße. Nach Einschätzung der SWM ist die ursprüngliche Kapazität des Bahnhofs um das Zweifache ausgereizt. Besonders beim Umsteigen zwischen den Bahnsteigebenen - unten U 1 und U 2, oben U 3 und U 6 - entstehen Rückstaus; das wird noch durch den Umstand verstärkt, dass sich die Fahrgastströme an den zentral gelegenen Treppenanlagen überschneiden und gegenseitig behindern.

Das Problem dabei: Richtig vergrößern lässt sich der Bahnhof nicht, weil der Sendlinger-Tor-Platz außen rum bebaut ist. Also musste man im Untergrund mehr Platz schaffen. Dazu soll der Durchgang auf der Ebene der U 1/U 2 verbreitert werden, indem bestehende Betriebsräume im Verbindungsgang verkleinert werden. Durch eine neue Anordnung der Treppen sollen sich die Passagiere, die eine Ebene höher umsteigen wollen, auf den Bahnsteigen der U 3 und U 6 besser verteilen.

Die beiden Bahnsteige der U 1/U 2 werden zudem am Süd- und Nordende durch Querstollen miteinander verbunden. Neue Zugangsbauwerke am nördlichen Ende des Sendlinger-Tor-Platzes sowie an der Blumenstraße sollen den Fahrgaststrom ebenfalls entzerren. Über den Neubau im Norden können die Fahrgäste künftig von der untersten Ebene direkt ins Sperrengeschoss an der Sonnenstraße gelangen, was den Zentralbereich entlastet.

Am südlichen Ende der Bahnsteigröhre entsteht ein neuer Ausgang, der direkt von der Ebene U 1/U 2 an die Oberfläche zur Blumenstraße führt. Und das ist noch lange nicht alles: Die Zugänge am Sendlinger Tor und zur Müllerstraße werden ebenfalls ausgebaut und erhalten jeweils eine zusätzliche Rolltreppe, im Erweiterungsbau an der Blumenstraße entsteht ein zusätzlicher Aufzug, die beiden Aufzüge vom untersten Geschoss führen künftig an die Oberfläche. Darüber hinaus werden alle bestehenden Rolltreppen und Lifte ausgetauscht.

Auch in Sachen Barrierefreiheit tut sich einiges: Die Bahnsteige heben die SWM um jeweils fünf Zentimeter, die Rampe im Sperrengeschoss wird verbreitert und es wird - wie es bereits Standard in vielen Bahnhöfen ist - ein Leitsystem für Sehbehinderte eingebaut.

Optisch hübschen die SWM den Bahnhof ordentlich auf. Die U1/U2-Ebene wird auch künftig in Gelb gehalten sein, die U 3/U 6-Ebene in Blau. Die Decke im Sperrengeschoss wird schwarz. Für die Neugestaltung zeichnet das Architektenbüro Raupach und Bohn verantwortlich, für das Beleuchtungskonzept der Lichtdesigner Ingo Maurer; insgesamt versprechen sich die SWM eine höhere Aufenthaltsqualität, die nicht zuletzt durch neue Läden geschaffen werden soll. Für die bestehenden Geschäfte bedeutet der Umbau allerdings das Aus. Im Herbst laufen die Mietverträge aus; welche Läden künftig ins Sperrengeschoss einziehen, steht nach Angaben der SWM noch nicht fest.

Doch ob man künftig noch Blumen oder Zigaretten im U-Bahnhof bekommt, dürfte die geringere Sorge der U-Bahn-Fahrgäste und der Autofahrer an der Oberfläche sein. Bereits nächste Woche beginnen die ersten Arbeiten im Untergrund, so wird beispielsweise das provisorische Kundenzentrum der MVG zurückgebaut. Am 13. Februar beginnen an der Oberfläche erste Straßenarbeiten, am 10. April wird die Fahrbahn der Sonnenstraße verlegt. Das heißt: Weil auf dem Sendlinger-Tor-Platz eine etwa 500 Quadratmeter große Baugrube entsteht, wird in den nächsten zwei Jahren der vom Stachus kommende Verkehr über die Zufahrt zur Nußbaumstraße direkt an der Matthäuskirche vorbei zur Lindwurmstraße umgeleitet.

Dabei fällt eine der Rechtsabbiegespuren weg, in den nächsten Tagen wird der Bereich zwischen Brunnen und Kirche asphaltiert. In Richtung Stachus entfällt ebenfalls eine komplette Spur, der Taxistreifen wird voraussichtlich nach Norden verlegt, Parkplätze fallen komplett weg. Wer von Westen kommt, dem fehlt künftig eine Linksabbiegespur in die Sonnenstraße; und Autofahrer, die vom Oberanger Richtung Blumenstraße abbiegen wollen, werden während der gesamten Bauzeit über die Straße An der Hauptfeuerwache umgeleitet.

Auch die Blumenstraße wird von Süden kommend an der Kreuzung verengt. Dass der Linienbusverkehr, der über die Kreuzung führt, durch mögliche Staus nennenswert beeinträchtigt wird, glauben die Verantwortlichen der SWM im Übrigen nicht. Fest steht: Weil auch die Tramgleise in diesem Bereich erneuert werden, gibt es im Herbst 2018 für etwa ein Vierteljahr keine Durchfahrt für die Tram Richtung Müllerstraße.

Die Bauarbeiten dauern deshalb so lange, weil sie bei laufendem U-Bahn-Betrieb vonstatten gehen. Doch auch hier gibt es Einschränkungen: In diesem Jahr werden U 1 und U 2 außerhalb der Stoßzeiten zeitweise nur eingleisig verkehren, 2018 dann die U 3 und U 6. Größte Einschränkung für Fahrgäste: Weil im Jahr 2019 die Treppen umgebaut werden, müssen Umsteiger, die von U 1 oder U 2 zu U 3 oder U 6 wollen, einen Umweg übers Sperrengeschoss respektive das neue Erweiterungsbauwerk an der Sonnenstraße in Kauf nehmen.

150 Millionen Euro kostet die Baumaßnahme; wie hoch die Förderung durch den Freistaat ausfallen wird, steht noch nicht fest. Über den aktuellen Bauverlauf informiert die MVG von diesem April an in einem Infocontainer am Sendlinger Tor.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3371910
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.02.2017/mmo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.