Großbaustelle in der Innenstadt:Eine kleine Störung am Sendlinger Tor kann zum Kollaps führen

Großbaustelle in der Innenstadt: Baggern für die U-Bahn: Die Bahnhöfe im Untergrund sollen größer und schöner werden, also muss an der Oberfläche gebuddelt werden

Baggern für die U-Bahn: Die Bahnhöfe im Untergrund sollen größer und schöner werden, also muss an der Oberfläche gebuddelt werden

(Foto: Robert Haas)
  • Am Montag nach Ostern fließt der Verkehr mehr oder weniger zügig über die Großbaustelle am Sendlinger Tor.
  • Das überrascht Stadt und Planer, anscheinend entschärfen veränderte Ampelschaltungen und neue Spuren das Problem.
  • Trotzdem bleibt der Platz ein empfindlicher Punkt: Steht der Verkehr - etwa weil die Feuerwehr ausrücken muss - kommt es zum Kollaps.

Von Andreas Schubert

Wenn man sich derzeit dem Sendlinger-Tor-Platz nähert, fragt man sich, was schlimmer ist: der Lärm der Baumaschinen oder die Abgase der Autos. Seit Anfang April ist der Platz im Zentrum der Stadt eine Baustelle. Voraussichtlich bis zum Jahr 2022 bleibt das so: Der aufwendige Umbau des U-Bahnhofs führt dazu, dass die Straßen aufgerissen werden müssen. Das bringt Auto- und Radfahrer in die Bredouille: Sie müssen neu verlegte Spuren nutzen, woran sich noch längst nicht alle gewöhnt haben. Die Folge: Stau.

Montagmorgen, 8.30 Uhr: Der Linienbus 62 Richtung Ostbahnhof ist wegen anderer Bauarbeiten umgeleitet und muss über die Lindwurmstraße ausweichen. Es ist der erste Tag nach den Osterferien, der Berufsverkehr hat gerade wieder angefangen. Die Autoschlange zieht sich vom Sendlinger Tor bis zum Goetheplatz. 750 Meter sind das etwa. Und an diesem Morgen heißt das für die Bus-Passagiere, dass sie deutlich mehr Zeit zum Lesen haben, oder mangels Lektüre neidisch den Radfahrern hinterherschauen.

Zehn Minuten braucht der Bus, um im Schritttempo Richtung Innenstadt zu schleichen. Zu Fuß wäre man genauso schnell, nur die Radfahrer kommen auf dieser Route zügig voran. Weil an diesem Montag die Sonne scheint, anders als in der vergangenen Woche, ist das Rad wieder für mehr Verkehrsteilnehmer eine Alternative zu Auto oder Bus. Heißt: Es könnte alles viel schlimmer sein.

Peter Schorer, Verkehrsplaner im Kreisverwaltungsreferat, steht denn auch morgens in der Sonne und ist eigentlich ganz zufrieden, dass der Verkehr verhältnismäßig flüssig läuft. Er ist eigens mit Kollegen zum Sendlinger Tor gekommen, um sich die Situation an Ort und Stelle anzuschauen. Und der Verkehrsplaner gibt unumwunden zu, dass er überrascht ist. Vor den Osterferien, als die Baustelle eingerichtet wurde, stauten sich die Autos in allen Richtungen, vom Oberanger oder vom Goetheplatz kommend ging zu Spitzenzeiten kaum etwas vorwärts.

Jetzt sind die Ampelschaltungen der neuen Verkehrsführung angepasst und es sind auch wieder mehr Fahrspuren offen. Es gibt eine Abbiegespur von der Lindwurm- in die Sonnenstraße plus eine kombinierte Abbiege- und Geradeausspur. In der Gegenrichtung sind es wie gehabt zwei Geradeausspuren.

Der vom Stachus kommende Verkehr wird jetzt an der Matthäuskirche vorbeigeleitet, wobei für Rechtsabbieger nur noch eine Spur zur Verfügung steht. Auch das ist bei normalem Verkehr kein allzu großes Problem, da die Ampelphase nun länger ist. Dennoch räumt Peter Schorer ein, dass die Kreuzung, bei der Spuren reduziert werden, nicht dieselbe Leistungsfähigkeit haben kann wie vor den Bauarbeiten.

Großbaustelle in der Innenstadt: Alltag in der Innenstadt: Die Fahrzeuge stauen sich die Lindwurmstraße zurück.

Alltag in der Innenstadt: Die Fahrzeuge stauen sich die Lindwurmstraße zurück.

(Foto: Robert Haas)

Bei normalem Verkehr und außerhalb der Spitzenzeiten ist die Situation am Sendlinger Tor also relativ entspannt. Dennoch kann schon eine kleinere Störung des Verkehrsflusses zum Erliegen des Systems führen, wie Yining Li vom Ingenieurbüro Vössing einräumt. Vorab hat das Büro Simulationen des Verkehrsflusses während der Bauphase erstellt, die laut Li sehr genau mit den späteren Gegebenheiten übereinstimmen. Dennoch weiß auch er, dass der Sendlinger-Tor-Platz ein empfindlicher Knotenpunkt ist. Wenn die Feuerwehr ausrückt, könne das den Verkehr bis zu 250 Sekunden zum Erliegen bringen, "dann kommt es zum Kollaps", sagt Li.

Mehr als 50 000 Fahrzeuge passieren den Sendlinger-Tor-Platz pro Tag. Morgens kommen die meisten von der Lindwurm-, abends von der Sonnenstraße. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2011, aktuellere hat das KVR nicht. Schorer weist aber darauf hin, dass der Verkehr in München insgesamt zugenommen habe, wobei aber immer mehr Menschen aufs Rad umgestiegen seien.

Letzteres mag neben der optimierten Ampelschaltung dazu beigetragen haben, dass es am ersten Tag nach den Ferien zwar Staus gegeben hat, das befürchtete Chaos aber ausgeblieben ist. Denn wer den Altstadtring auch sonst mit dem Auto nutzt, für den gebe es keine großartigen Ausweichrouten, meint Schorer. Es müsse den Autofahrern einfach klar sein, dass Baustellen den Verkehrsfluss bremsen.

Auch wenn die Stadt schon lange vorher bekannt gebe, dass Bauarbeiten anstehen, glaubten das viele erst, wenn sie es selber gesehen hätten. Am Montagmorgen, zur Spitzenzeit zwischen 8 und 9 Uhr, hatte so mancher ausreichend Zeit, sich die Umgebung mal wieder in Ruhe anzuschauen. An den restlichen Wochentagen, verspricht der Verkehrsplaner, fließe der Verkehr erfahrungsgemäß besser.

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