Grill, Shisha und Aufblassofa:Strandgut

Die einen schleppen ihren kompletten Hausstand an den Fluss, andere sitzen als Freibeuter verkleidet im Wasser - an einem warmen Sommerwochenende machen Münchner und Touristen die Isar zum Freizeitpark

Von Thomas Anlauf

Mit dem Schiff sind die Piraten dann doch nicht gekommen, sie hätten auch zu wenig Wasser unterm Kiel gehabt. Dafür sitzen die Freibeuter nun mitten in der Isar, der Wasserfilm des vom heißen Sommer ausgedünnten Flusses reicht gerade über Bikini- und Badehosen. Gefährlich sehen die Piraten nicht gerade aus, so halbnackt und mit Dreispitzhüten samt Tüchern auf dem Kopf. "Wir sind Menschen, die Blödsinn an der Isar machen", sagt Piratin Nadine zur Strandaktion. Die Freunde haben sich an diesem Wochenende in München verabredet, um zu feiern, "egal wie das Wetter wird", sagt Benjamin aus Chemnitz, der einzige bärtige Pirat in der Runde. Das Wetter passt. Am Samstagnachmittag lösen sich die letzten weißen Wölkchen auf, die Temperaturen klettern wieder einmal in Richtung hitzefrei.

Eigentlich eint die jungen Leute, die aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz stammen, ihre Faszination für das Mittelalter. Sie haben sich auf Mittelalterfestivals kennengelernt, seither verabreden sie sich regelmäßig über Whatsapp zum Treffen, Trinken und zum Verkleiden. Am Ufer liegt die volle Piratenmontur der Freunde, inklusive Totenschädeltrinkschale und rasselnden Messern und Säbeln. In der lauwarmen Isar, die hier südlich des Flauchers derzeit nur noch müde strömt, können die Piraten gefahrlos mit dunklem Bier und Radler anstoßen. Bei dem Flusspegel treibt nicht einmal ein betrunkener Freibeuter ab.

Die Isar im Hochsommer ist für viele Münchner und München-Besucher ein Bekenntnis zum Sommer, zu München, zum Besonderssein. Für die einen ist der Flaucher ein kieseliger Laufsteg für Bademoden, die anderen bringen ihren halben Hausrat mit an den Fluss, um sich auch dort wie zu Hause zu fühlen. Vorn am Wasser müht sich gerade Laura Günterberg mit einer batteriebetriebenen Lichterkette ab, die pastellfarbenen Kugeln sollen im Dunkeln die Geburtstagsparty sanft beleuchten. Etwa 50 Gäste werden hier am Isarstrand erwartet, es gilt den dreißigsten und den vierzigsten Geburtstag eines befreundeten Paares zu feiern. "Einen Musiker haben wir natürlich auch dabei", sagt die Berlinerin, die jeden Sommer zu Besuch in München ist. Eine Mutter der Feiernden hat zwei große Apfelstrudel gebacken, zwei Eimergrills und ein Gasgrill warten am Nachmittag noch auf ihren Einsatz, bis die Party richtig losgeht. Während Laura Günterberg die Lichterkette auf Bambusstöckchen in den Kies pflanzt, schleppen die ersten Männer des Isarfests Bierkästen heran und versenken sie im Fluss. Bierkühlung geht allerdings anders, das seichte Wasser hat mehr als 20 Grad.

Für die Isar hat Amar gerade keinen Blick. Der Münchner steht weitab vom Fluss im Schatten und wedelt die Glut in dem kleinen Grill an. Amar und seine drei Freunde Domi, Dadas und Garcia haben offensichtlich ihre Kühlschränke geplündert, in großen Taschen liegt Puten- und Schweinefleisch, Berge von Semmeln und was es für eine kleine oder auch größere Grillparty braucht. "Bei mir ist die ganze Familie hier irgendwo verteilt", sagt Domi und lacht. Er hat auch eine große Shisha-Pfeife mitgebracht, geraucht wird aber erst am Abend, wenn es richtig gemütlich wird. Shisha-Pfeifen scheinen ohnehin bei vielen Kiesbank-Genießern zum unverzichtbaren Strandzubehör zu gehören. Nördlich der Tierparkbrücke steigen an diesem Wochenende fast mehr Dampfwolken in den blauen Himmel als Grillrauch.

Auf der anderen Seite der Brücke, über die unablässig ein Menschenstrom vom Tierpark in Richtung U-Bahnhof zieht, lagert eine Gruppe Studenten um ein grünes Sofa. Na ja, eigentlich ist es eher ein luftdichter Windsack, den man umständlich herumwedeln und dann verschließen muss, um etwas Sitzbares daraus zu machen. Aber ziemlich angesagt sind diese bunten Würste, die mal "Chillbag", mal "Air Sofa" oder "Lounge to go" heißen. David aus Schweden und Angus aus Großbritannien lümmeln gerade darauf herum, die insgesamt sieben Studenten der TU München machen heute Barbecue. Etwas spärlich sieht es schon aus, wie da zwei Spieße voll mit Speck ummanteltem Käse auf dem Grill brutzeln. Aber auf einem Tuch liegen ja noch Erdbeeren und eine Packung Raffaello. Sie kommen aus den USA, Kanada, Deutschland und eben Schweden und England. "My favorite place in Munich" sei dieser Platz an der Isar, schwärmt ein Management-Student aus Alberta.

Sogar die Satire-Partei "Die Partei" findet an diesem Wochenende an die Isar. Mit einem Faltpavillon haben sich Gerd Bruckner, Marie Burneleit und andere Mitstreiter mitten auf einer Kiesbank breitgemacht, um ein bisschen Spaßwahlkampf zu machen. "Und wir haben echt Müll eingesammelt", sagt der 60-jährige Wahlkämpfer. "Wir sagen schließlich nicht: Wir schaffen das, sondern wir machen was." Der tiefgebräunte Bruckner muss ein wenig gegen die karibischen Klänge argumentieren, die von den Bäumen herüberwabern. Dort beginnt gerade eine Fiesta latina mit Cubanern, Kolumbianern und Spaniern aus München. Es wird getanzt, der Rum kreist. Es wird ein Beschwörungstanz sein: auf dass dieser Sommer nie ende.

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