Berg am Laim:Stadtrat will Griechische Schule abreißen lassen

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  • Der Stadtrat will den Dauerstreit über die Griechische Schule in Berg am Laim beenden und am Mittwoch den Abriss beschließen.
  • Wegen eines verschwundenen Bauzauns ist die Stadt der Meinung, dass sie wieder vollen Zugriff auf das Grundstück hat.
  • Womöglich wird die griechische Seite aber dagegen vorgehen.

Von Heiner Effern, München

Der Titel der Vorlage verrät nichts über ihre Sprengkraft. "Vollzug eines Nachtrags zu einem Kaufvertrag" steht auf dem nicht-öffentlichen Papier, das die Vollversammlung des Stadtrats am Mittwoch beschließen soll. Doch wenn die Mehrheit wie erwartet dem Vorschlag des Kommunalreferats folgen wird, dann vollzieht die Stadt eine politische Wende, die sie lange angestrebt, jedoch immer wieder hinausgeschoben hat. Sie wird beschließen, die Bauruine der Griechischen Schule in Berg am Laim schnellstmöglich abzureißen und ein städtisches Schulgebäude zu errichten. Politisch würde damit nach fast zwanzigjährigem Gezerre eine Entscheidung fallen, doch endgültig muss diese noch lange nicht sein. Griechenland könnte dagegen vor Gericht ziehen. "Die Stimmung ist nicht so, dass man aufgibt", sagt Rechtsanwalt Stavros Kostantinidis, der die griechische Seite berät.

Die neue Haltung der Stadt irritiert die griechische Gemeinde. Mindestens. Traurig und enttäuscht sei man, sagt Kostantinidis, wo doch ein Kompromiss praktisch ausgehandelt gewesen sei. Ursprünglich sollte dieser dem Stadtrat auch vorgelegt werden. "Alles" sei geklärt gewesen, sagt Kostantinidis. Die Summe für den Rückkauf des Grundstücks durch die Stadt, der Bau einer gemeinsamen Schule, sogar die Mietkonditionen für die Klassenzimmer, in denen 500 griechische Kinder ihren Unterricht erhalten sollten. Dass die Stadt nun plötzlich die Position "Friss oder stirb" einnehme, sei "kein guter Stil". Denn aus der Sicht Griechenlands sei "rein rechtlich nichts passiert", sagt Kostantinidis. Sollte die Stadt darauf pochen, müssten Prozessanwälte übernehmen. "Sicherlich wird nicht kampflos aufgegeben."

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Die Stadt wiederum sieht eine neue Rechtslage, die sie an einem verschwundenen Bauzaun festmacht. Dieser war aus ihrer Sicht in einer komplizierten rechtlichen Situation das letzte Mittel Griechenlands, um das Grundstück nicht zurückgeben zu müssen. Der Zaun war vor etwa zwei Wochen überraschend verschwunden, worauf die Stadt flugs einen eigenen um das Areal aufgestellt hat. Mit dem Metallgitter sind nach Meinung der Stadt-Juristen auch die letzten Ansprüche Griechenlands verschwunden, weshalb auch die Basis für den Kompromiss nicht mehr existiere. Das Kommunalreferat habe darauf eine neue Vorlage erarbeitet, sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), die nun zur Abstimmung stehe. "Ich bin zuversichtlich dass wir hier eine Lösung finden werden, die dazu führt, dass die Bauruine endlich wegkommt und dieses traurige Kapitel möglichst schnell abgeschlossen ist."

Damit gibt Reiter, der mit Geduld immer wieder die Verhandlungen am Laufen gehalten hatte, wohl die Meinung eines Großteils des Stadtrats wieder. Die CSU werde zustimmen, nun umgehend abzureißen und selbst zu bauen, sagte Fraktionschef Manuel Pretzl. Auch wenn er persönlich fürchtet, damit einen Marathon vor Gerichten auszulösen. Die FDP will "die unendliche Geschichte" ebenfalls beenden, sagte Stadträtin Gabriele Neff. Etwas anderes sei "der Bevölkerung nicht mehr zu vermitteln". Die Bayernpartei hat ihre kompromisslose Linie schon im Vorfeld vorgestellt. Und auch die Grünen sehen die Geduld erschöpft. "Es gab so viele versäumte Fristen und Verlängerungen. Jetzt ist Schluss", sagte Stadtrat Herbert Danner.

Allerdings lässt der Beschlussvorschlag von Kommunalreferentin Kristina Frank immer noch eine Türe für eine neue griechische Schule offen. Bis 31. Mai müsse sich Griechenland entscheiden, ob es im neuen Gebäude als Mieter die 500 Kinder unterrichten lassen wolle. Verändert hat sich zum vorhergehenden Kompromiss vor allem das finanzielle Angebot der Stadt. Dort hatte sie, um Griechenland zu locken, für den Rückkauf des Grundstücks 6,7 Millionen Euro geboten, nun will sie zu den ursprünglich veranschlagten 3,8 Millionen zurückkehren. Mit dieser deutlich niedrigeren Summe will die Stadt zudem die Abbruchkosten für den Rohbau verrechnen. Intern geht man davon aus, dass Griechenland dann kaum mehr etwas erhalten wird.

Ob damit in der Geschichte um den Bau der Griechischen Schule die letzte Seite oder nur ein neues Kapitel aufgeschlagen wird, bleibt abzuwarten. Schon Mitte der Neunzigerjahre suchte Griechenland ein Gelände in München, um eine neue Schule zu bauen. Um die Jahrtausendwende verkaufte die Stadt das 15 000 Quadratmeter große Areal in Berg am Laim. In den ersten Jahren wehrte sich eine Bürgerinitiative dort so massiv, dass an Baurecht nicht zu denken war. Als Griechenland bauen durfte, passierte wieder lange Zeit nichts.

Am 22. August 2012 lief die vertraglich festgelegte Frist für einen Neubau ab. Von 2013 an versuchte die Stadt, das Grundstück zurückzubekommen. Im Mai 2014 erfolgte trotzdem der Spatenstich, woraufhin bis November 2014 wieder wenig passierte. Dann wuchs langsam der Rohbau heran. Im Mai 2015 trafen sich die Stadt und Griechenland dann vor Gericht und schlossen einen Vergleich, der neue Fristen enthielt. Diese verstrichen, und die Stadt wurde wieder als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen. Doch das Recht unterscheidet zwischen Eigentum und Besitz, und Griechenland auch. Der Staat reklamierte hoheitliche Rechte und berief sich auf die sogenannte Vollstreckungsimmunität. Zum Sinnbild dieses Besitzes wurde der Bauzaun um den zunehmend verfallenden Rohbau. Die Stadt durfte das Gelände nicht betreten, es wurde weiter verhandelt. Griechenland verzichtete im Verlauf auf das Eigentum an der Schule und akzeptierte die Mietlösung. Allerdings verwies die Stadt darauf, dass letzte Hürden zur Aufgabe des Besitzes und die Höhe der Miete bis zum Schluss nicht geklärt waren. Hätte es darüber keine Einigung gegeben, hätte die Stadt geklagt. Vor etwa zwei Wochen verschwand dieser Bauzaun, und die Stadt zog einen eigenen um das Areal. Sie sieht sich nun auch als Besitzerin und will handeln. Klagen auf Herausgabe des Areals muss deshalb nun nicht mehr München, sondern Griechenland.

© SZ vom 09.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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