Es war schon eine merkwürdige, kleine Künstler-Truppe, die vergangenen Dezember einen sogenannten Trommelautomaten auf einem Hubwagen durch das nasskalte Giesing zog. Mit dabei war der Glasmaler und Graffitist Stem Fabian Bertler, der jenen ehemaligen Snackautomaten noch während des Transports zur Giesinger Stadtbibliothek künstlerisch gestaltete. Seitdem steht nun der "FLO*mat" geheißene, zehnstöckige Automat in der besagten Bücherei in der Deisenhofer Straße 20.
Statt wie einst in der Kantine einer Event-Agentur bietet der umfunktionierte Automat dort allerdings keine Snacks, Suppen oder Getränke an. Matthias Stadler, der einen solchen Automaten schon einmal in seiner Veranstaltungsreihe Tamtam in den Münchner Kammerspielen etablieren konnte, wurde nämlich von der Giesinger Künstlerin und Netzwerkerin Ruth Feile vom Verein "Wir sind Giesing" gebeten, einen solchen Automaten für ihren Stadtteil als mögliche Kunstvermittlung in der Pandemie weiterzuentwickeln. Immerhin hatte Stadlers Snackautomat ja schon in den Kammerspielen nicht nur Getränke geführt, sondern unter anderem auch Kondome, Gewürzgurken oder Äpfel aus Niederbayern.
Ein Klebestift der Marke Pritt wurde zur trashigen "Bad Pritt"-Figur
Der FLO*mat wiederum, der unter anderem auch schon mal auf einer Giesinger Verkehrsinsel stand, wo der Aktionskünstler Martin Kreiji vom Institut für Leistungsabfall und Kontemplation auf eben jenen Automaten ein Schläfchen hielt, wurde darum von Stadler mit allerlei kleinen Kunstwerken gefüllt. Dazu hatte er anfänglich nur einige befreundete Künstlerinnen eingeladen wie etwa Steffi Müller alias rag*treasure. Sie steuerte sogleich liebevoll bemalte Federbälle bei. Christian Öttinger verwandelte Tischtennisbälle in kleine Lampen. Und Maria Hafner gab neben anderen Musik-CDs einen frühen Live-Mitschnitt ihrer einstigen Band Zwirbeldirn in den Automaten. Einen herkömmlichen Klebestift der Marke Pritt modellierte Kreiji derweil zur trashigen "Bad Pritt"-Figur um. Und seit Stadler schließlich auch noch das Münchner Künstlerinnen-Duo Igitte Schwestern zu einem Auftritt in Wien begleitet hatte, gibt es im FLO*mat nun auch ein Bild der Wiener Schriftstellerin Stefanie Sargnagel.
"Wir haben damit nur Vorschläge aus unserem eigenen Netzwerk angeboten. Was künftig im Automaten sein wird, soll ja auch von den Menschen vor Ort mitbestimmt werden", sagt Stadler, der den Bestand regelmäßig kontrolliert und den Automaten immer wieder mit neuer Kunst auffüllt. Jeder Künstler, jede Künstlerin sei darum eingeladen, ebenfalls Werke im FLO*maten anzubieten. Sie dürfen jedoch nur zwischen zwei und 99 Euro kosten. Dafür bekommen die Kunstschaffenden die gesamten Einnahmen für ihre verkauften Werke. Informationen zu den angebotenen Objekten gibt es übrigens auch in einem Ordner, der dem Automaten in der Giesinger Stadtbibliothek zur Seite gelegt wurde.
Der Automat ist selbst auch Kunst
Bis mindestens Ende des Monats steht der FLO*mat noch da, nachdem sein Einsatz immer wieder verzögert wurde. So stellte sich zum Beispiel das Brummen der Kühlung jenes ursprünglichen Snackautomaten als zu laut für eine Bibliothek heraus. Da man diese aber nicht einfach ausschalten konnte, wurde die lärmende Kühlung von einem befreundeten Techniker entfernt. Das hatte dann allerdings die Nebenwirkung, dass der Automat immer wieder überhitzte. Darum musste er regelmäßig ausgeschaltet werden. Ansonsten empfindet die Leiterin der Stadtbibliothek Giesing, Gerlinde Zimmermann, den FLO*maten als willkommene Bereicherung ihres Hauses: "Es ist Kunst für jeden. Es ist keine hohe Kunst, wo es eine Schwelle gibt. Es ist eine niedrigschwellige Kunst. Und es bietet Künstlern die Möglichkeit, ihre Produkte ohne großen Zwischenbereich an den Kunden ranzubringen", lobt Zimmermann die Waren des FLO*maten.
Weil der aber nicht nur Kunst enthält, sondern sogar selber Kunst ist, wurde er in der Bibliothek so aufgestellt, dass man ihn durch die Fenster auch dann sehen kann, wenn die Bibliothek selbst geschlossen ist. Lars Jakobeit vom Stadtteilladen Giesing, der dieses Projekt ebenfalls unterstützt, sieht das Potenzial des Automaten für eine Stadtteilkultur allerdings auch darin, dass er "wandern", also an verschiedenen Orten in Giesing "irritieren" kann. Die anderen Standorte müssten nur auch ein wenig überdacht sein und einen Stromanschluss haben. Das könnte zum Beispiel in wechselnden Kneipen der Fall sein, aber auch in einer U-Bahn-Station. Dafür bräuchte es jedoch eine Genehmigung. Und natürlich wäre auch der Grünspitz als Bürgerbegegnungsstätte in Giesing ein optimaler Standort für den FLO*maten. Doch dort wurde bereits ein Biofleisch-Automat eingeschlagen. Und solch bösartigem Vandalismus wollen die Veranstalter die liebevoll gefertigten Kunstwerke des FLO*maten dann doch nicht ausliefern.
Bis 31. März kann der Flo*mat in der Stadtbibliothek Giesing, Deisenhofer Straße 20, zu deren Öffnungszeiten genutzt werden. Diese sind: Dienstag bis Freitag von 10 bis 19 Uhr, Samstag von 10 bis 15 Uhr. Der Eintritt ist frei.