Gräfelfing:Überraschend gut gepolstert

Mit unerwartet hohen Gewerbesteuereinnahmen schwillt der Gräfelfinger Etat auf 200 Millionen Euro an. Trotzdem mahnen Gemeinderäte zur Vorsicht

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Von einer "Mischung aus Schauer und Freude", die sie beim Anblick des Zahlenwerks ergreife, sprach Bürgermeisterin Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing). Denn die Gemeinde Gräfelfing hat einen unerwartet hohen Kontostand zum Jahresende, wie beim Auftakt zu den Haushaltsberatungen für das Jahr 2019 im Hauptausschuss deutlich wurde. Gräfelfing stand schon immer finanziell gut da; doch die diesjährigen Gewerbesteuereinnahmen sind selbst für die stets solvente Kommune eine Überraschung: 71 Millionen Euro mehr als erwartet waren Mitte November zu verbuchen - als Gesamtsumme rechnet die Kämmerin mit rund 120 Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen für das Jahr 2018.

Während andere Gemeinden in der Region jeden Euro umdrehen müssen, lässt sich Gräfelfing bei der Vermögensanlage beraten. Anstatt knapp 22 Millionen Euro aus den Rücklagen zu entnehmen, wie für das Jahr 2018 geplant, kann die Kommune etwa 56 Millionen Euro auf die hohe Kante lagen. Zum Jahresende verfügt die Kommune so über ein Rücklagenpolster von rund 112 Millionen Euro. Zu Beginn des Jahres 2022 sollen es der Prognose zufolge sogar 133,5 Millionen Euro sein. Kämmerin Tanja Dandl geht davon aus, dass die Gewerbesteuereinnahmen auch die nächsten Jahre auf hohem Niveau bleiben.

Diese Einschätzung gefiel Hans-Joachim Kramer (parteilos) nicht. Er kritisierte die "Selbstverständlichkeit", mit der die hohen Einnahmen für die nächsten Jahre im Etat eingeplant seien. Unternehmen könnten sich durchaus entschließen, ins steuergünstige Ausland abzuwandern, sagte Kramer. Er stimmte deshalb auch gegen die Finanzplanung der Gemeinde. Kämmerin Dandl wies darauf hin, dass die Prognose für 2019 ein ebenso hohes Einnahmeniveau bei der Gewerbesteuer ergebe. Zudem könne die Gemeinde jederzeit reagieren, sollten die Einnahmen sinken.

Andere Gemeinderäte mahnten, die Zahlung der Kreisumlage im Auge zu behalten. Denn erst mit Verzögerung, im Jahr 2020, muss die Kommune voraussichtlich jährlich mehr als 64 Millionen Euro an Umlage an den Landkreis bezahlen. Günter Roll (Bürgerverein Gräfelfing-Lochham) befürchtete, dass es die Gemeinde dann "zerreißen" könnte. Peter Köstler (CSU), Mitglied des Finanzausschusses, wies jedoch alle Schwarzmalerei entschieden zurück. Die Kreisumlage sei in der Haushaltsplanung durchaus berücksichtigt. Außerdem sei die Gemeinde nicht auf einen einzigen Gewerbesteuerzahler angewiesen, auch wenn dieser die Spitze bei den Einnahmen ausmache, sondern verfüge über einen guten Mix an Unternehmen. Köstler dürfte dabei auf das Unternehmen Philipp Morris anspielen, den weltweit größten Tabakkonzern, der vor sieben Jahren seine Deutschland-Zentrale in Gräfelfing bezogen hatte. "Heute ernten wir die Früchte", sagte Peter Köstler.

Mit dem Geldsegen schwillt das Haushaltsvolumen der Gemeinde auf fast 200 Millionen Euro für 2019 an. Das gibt Gräfelfing Spielraum für Investitionen - und es sind etliche in den kommenden Jahren geplant: ein umfangreiches Straßenbauprogramm mit vielen Sanierungen, der Neubau einer Turn- und Schwimmhalle, eine Erweiterung des Kurt-Huber-Gymnasiums, die energetische Sanierung des Rathauses sowie Investitionen in die Geothermie; ferner die Umstrukturierung des Alten- und Pflegeheims Rudolf-und-Maria-Gunst-Haus sowie die Sanierung des TSV-Gebäudes und des Bürgerhauses.

Es sind umfangreiche Projektpläne, die nun auch Realität werden müssten, mahnte Gemeinderat Köstler an. Auch müsse die Gräfelfinger Verwaltung die Aufgaben erst einmal gestemmt bekommen. Bürgermeisterin Uta Wüst sah gerade in der personellen Ausstattung ein Problem: Viele Projekte hingen von Baufirmen ab. Doch diese Unternehmen seien gerade angesichts des Baubooms schwer zu gewinnen. "Das ist der Flaschenhals." Der Haushalt muss nun noch vom Gemeinderatsplenum verabschiedet werden.

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