Die Gemeinde Gräfelfing will an einem Pilotprojekt zum Carsharing teilnehmen. Die Pullacher Firma Sixt, bekannt als Leihwagen-Unternehmen, möchte dabei ihr Carsharing-Modell "Sixt Share" erstmals im Münchner Umland erproben. Die Gemeinde muss sich während der drei Probemonate an den Kosten beteiligen, denn die Firma rechnet während der Einführungsphase mit Umsatzverlusten, so lange, bis das Modell am Ort etabliert ist. Die Corona-Pandemie, in der viele Bürger die öffentlichen Verkehrsmittel scheuten, sei genau der richtige Zeitpunkt, mit dem Projekt zu starten, sagte Robin Ruschke von Sixt Share in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Mobilität.
Frühere Versuche, Carsharing in Gräfelfing zu etablieren, scheiterten bislang. Die Rentabilität wurde stets in Frage gestellt. Dabei wäre der Bedarf durchaus da, in der Verwaltung fragen Unternehmen aus dem Gewerbegebiet immer wieder nach Angeboten, sagte Sabine Strack von der Wirtschaftsförderung der Gemeinde in der Sitzung. Das Sixt-Modell soll ein Baustein im Mobilitätsangebot sein und im besten Fall den Dienstwagen ersetzen. Zur Carsharing-Initiative Stattauto, die mehrere Standorte in Gräfelfing betreibt, sei es keine Konkurrenz, da Stattauto ein völlig anderes Konzept anbiete, stellte Bürgermeister Peter Köstler (CSU) fest.
Sixt Share lässt sich allein über eine App auf dem Smartphone steuern, erklärte Robin Ruschke, der seit dem Frühjahr Gräfelfinger Bürger ist. Die Idee ist, möglichst viele verschiedene Automodelle unterschiedlicher Hersteller im Gemeindegebiet anbieten zu können. Die App zeigt an, wo ein Fahrzeug verfügbar ist. Im Preis, der sich nach Fahrzeugmodell, Ort der Anmietung und der gebuchten Dauer berechnet, sind Kosten für Versicherungen und Steuern, Tanken oder Laden, Parktickets sowie eine Kilometerpauschale von 200 Kilometern am Tag enthalten. Etwa ein Drittel der Flotte fährt elektrisch. Der Mindestpreis liegt bei drei Cent pro Minute, realistischer sind 18 Cent. Bei einer Buchung wird der Preis in der App angezeigt, gedeckelt ist der Minutenpreis immer durch eine Tagespauschale. Es gibt außerdem Paketangebote, etwa für Wochenenden oder Sieben-Tage-Buchungen.
Die Gemeinde Gräfelfing muss sich auch einbringen. "Wir benötigen Parkplätze mit unbegrenzter Parkdauer, ausgewiesene Parkplätze für die Autos und Werbung", sagte Ruschke. Außerdem muss sich die Gemeinde zu 50 Prozent an den erwarteten Umsatzverlusten in den Probemonaten beteiligen. Ruschke rechnet anfangs mit 660 Euro Verlust pro Fahrzeug pro Monat, unter anderem weil viele Transferleistungen nötig werden: Werden die Gräfelfinger Autos alle in der Stadt abgegeben, müssen sie von Sixt-Mitarbeitern wieder ins Umland kutschiert werden. "Im Idealfall wird das mal ein geschlossenes System", so Ruschke: So viele Autos, wie aus dem Umland in die Stadt fahren, fahren auch wieder zurück.
Die Gräfelfinger Gemeinderäte befürworteten das Pilotprojekt einstimmig. "Wer es nicht ausprobiert, wird nicht wissen, ob es funktioniert", sagte Thomas Heidenreich (CSU). Gerade für junge Leute sei es ein attraktives Angebot. Auch Professor Gerhard Mengedoht (Grüne/Unabhängige Liste) outete sich als "Fan der Idee". Die Anzahl der Autos, die in Gräfelfing stationiert werden, ist noch offen. Zwischen etwa zwölf und 18 könnten es werden. Einer Umsatzverlustbeteiligung von maximal 7500 Euro im Monat stimmten die Gemeinderäte zu. Gleichzeitig sprachen sie sich dafür aus, die drei Probemonate bei Bedarf um weitere drei Monate zu verlängern. Das Projekt soll möglichst noch in diesem Jahr umgesetzt werden.