Restaurant Joe Marino:Gutes Rezept für Wirt und Gäste

Restaurant Joe Marino: Auch draußen kann man gut speisen bei Joe Marino. Der Wirt hat viel dafür getan, das Restaurant so coronasicher wie möglich zu machen.

Auch draußen kann man gut speisen bei Joe Marino. Der Wirt hat viel dafür getan, das Restaurant so coronasicher wie möglich zu machen.

(Foto: Robert Haas)

Das Joe Marino in Gräfelfing setzt auf durchgehend warme Küche zu fairen Preisen an sieben Tagen die Woche - das Essen schmeckt und der Service ist flott.

Von Gertrude Fein

Unter Beißhemmung versteht man in der Verhaltensforschung - vereinfacht gesagt - einen angeborenen Schutzmechanismus, bei dem das überlegene Tier dem unterlegenen nicht massiv schadet. Der Laie denkt da an einen unschuldigen Welpen, der dem großen, gefährlich aussehenden Hund den Bauch zeigt und jener daraufhin sanft wie ein Lamm wird. In Zeiten von Corona eine gewisse Beißhemmung gegenüber Gastronomen zu entwickeln, war für die Kostprobe nicht ganz auszuschließen.

Was nun nicht heißen soll, dass Wirte so schutzbedürftig wie Welpen sind. Aber in der Zeit, als Gaststätten noch öffnen durften und die Kostpröbler noch testeten, ging es den Wirten nicht gerade rosig.

Joe Marino im Bürgerhaus in Gräfelfing war eigentlich ein Kandidat, um ein klein wenig zuzubeißen. "Bei Joe bleibt kein Wunsch offen", heißt es auf der Homepage. Solch Töne fordern ein besonders genaues Nachschauen geradezu heraus. Aber dann die angenehme Überraschung: Es gab wirklich kaum etwas zum Zubeißen.

Der Wirt hatte mit viel Geld und Geschick das Lokal drinnen wie draußen so Corona-sicher wie nur möglich gemacht, neben den üblichen Abstands- und Hygienemaßnahmen auch mit einem effektiven Lüftungssystem, vollmundig angekündigt als "Corona-Zerstörer". Die Einrichtung ist ansprechend, mediterrane Farben, schöne Keramiken, Muscheln, alte Ruder, aber nicht überladen.

Aber nun zu den Speisen: Ein Mittagsmenü zu zwölf Euro, bestehend aus guter Kartoffelrahmsuppe mit Brotwürfeln, mürbem Hirschgulasch mit Blaukraut und einem kleinen Weckglas mit Pannacotta mit fein säuerlichen Früchten ist in dieser Qualität im weiten Umkreis nicht so leicht zu finden. Auch die milde Parmesansuppe mit vielen frischen schwarzen Trüffelscheiben (6,50 Euro) und die Spaghetti Bolognese mit viel Hackfleisch und intensivem Tomatengeschmack (8,90) waren sehr zufriedenstellend.

Bei einem Besuch am Abend war das Ristorante in zwei Schichten ausgebucht. Ausreichend Personal sorgte für flotte, freundliche Bedienung. Im Internet wird der Service zum Teil schlechtgemacht, was keinesfalls zu bestätigen ist.

Die SZ-Kostprobe

Die Restaurant-Kritik "Kostprobe" der Süddeutschen Zeitung hat eine lange Tradition: Seit 1975 erscheint sie wöchentlich im Lokalteil, seit einigen Jahren auch Online und mit einer Bewertungsskala. Etwa ein Dutzend kulinarisch bewanderter Redakteurinnen und Redakteure aus sämtlichen Ressorts - von München, Wissen bis zur Politik - schreiben im Wechsel über die Gastronomie in der Stadt. Die Auswahl ist unendlich, die bayerische Wirtschaft kommt genauso dran wie das griechische Fischlokal, die amerikanische Fastfood-Kette, der besondere Bratwurststand oder das mit Sternen dekorierte Gourmetlokal. Das Besondere an der SZ-Kostprobe: Die Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, oft ist dies kulinarisch angehaucht. Sie gehen unerkannt etwa zwei- bis dreimal in das zu testende Lokal, je nachdem wie lange das von der Redaktion vorgegebene Budget reicht. Eiserne Grundregeln: hundert Tage Schonfrist, bis sich die Küche eines neuen Lokals eingearbeitet hat. Und: Nie bei der Arbeit als Restaurantkritiker erwischen lassen - um unbefangen Speis und Trank, Service und Atmosphäre beschreiben zu können. SZ

Die große Portion reichhaltiger, frischer Antipasti war für eine Person fast zu viel (9,50), Vitello tonnato guter Durchschnitt (11,50). Wer als Hauptgericht Fritto misto bestellt hatte, machte nichts falsch (18,90, auf der neuen Speisekarte 18,50). Die recht große Portion enthielt Calamari, Kabeljau, Lachs und eine dicke Garnele, am Rand war der Teller bemalt mit fein scharfer Chili-Mayo, optisch und geschmacklich ein Genuss.

Sehr dekorativ angerichtet waren auch die gebratenen Baby-Calamari mit jungem Gemüse, die Tentakel alle auf eine Seite ausgerichtet, die Tuben auf die andere, und sehr wohlschmeckend waren sie auch noch (17,90 vor der letzten Schließung, jetzt 18,90). Das ist eins der wenigen Gerichte, bei denen sich der Preis erhöht hat.

Von angeblich fetten Preissteigerungen in der Gastronomie kann hier nicht die Rede sein. Allerdings erscheinen 3,50 Euro für 0,1 Liter offenen Sauvignon blanc, auch wenn er sehr angenehm die Fischgerichte begleitet, doch recht geschmalzen.

Joe, der Wirt, hat, das ist dem Internet zu entnehmen, ein abenteuerliches Leben hinter sich. Lange Zeit lebte, lernte und arbeitete er in den USA. Davon profitiert nun die Kundschaft im Würmtal. Hervorragende Steaks - Rib-Eye regional aus Bayern, Rinderfilet vom Allgäuer Jungrind, Charolaisfilet von französischen Bullen - zum Preis zwischen 25 und 38 Euro, je nach Gewicht und Sorte, außerdem gibt es "Americano Burger" - Chicken, Cheese und Classic (12,90 bis 13,90). Rinderfilet bester Qualität auch als Straccetti mit Rucola und Parmesan (19,90) und in zarten Streifen zu einer der vier Sorten von Bowls (vegan, Huhn, Lachs und Rinderfilet-Streifen - 8,90 bis 14,90). Diese Bowls - ohne solche geht es zurzeit ja nicht - enthalten schwarzen Reis, viele Kerne und Sprossen und allerlei bestes Gemüse, Dressing nach Wahl.

Es war und ist für Wirt und Gäste wichtig, dass Gerichte abgeholt werden können und dann auch noch ihren Geschmack und ihre Konsistenz behalten. Bei Joe klappte das einwandfrei. Die Pizza Liguria mit Sardellen und Oliven (9,50) und die Vegetariana mit verschiedenem Gemüse (10,50) mit dünnem Boden und knusprigem Rand waren sehr ordentlich. Die Spare-Ribs St. Louise Style "garantiertes saftiges Fall-Of-The-Bone Fleischerlebnis" hielten dieses Versprechen (12,90). Der Inhalt des Chicken-Baskets hätte gut auch für zwei gereicht, auch wenn es dann vielleicht zum Streit um die köstlichen Filetstücke gekommen wäre (13,90). Die deftigen Ribs wie die Hähnchenstücke riefen nach ihrem Genuss dringend nach einem Schnaps.

"Joe's Rezept: Immer offen. Immer gutes Essen. Immer guter Wein. Basta." Es hat sich für Wirt und Gäste bewährt.

Adresse: Bahnhofplatz 1, 82166 Gräfelfing, Telefon: 089/ 8573042, Öffnungszeiten: täglich 9 bis 24 Uhr, durchgehend warme Küche von 11.30 bis 23 Uhr; www.joemarino.de

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