Gräfelfing:Mietstreit auf hohem Niveau

Gräfelfing will 1,7 Millionen Euro vom Roten Kreuz für die Renovierung nach dem Auszug

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Bei einem Auszug ist Streit zwischen Mieter und Vermieter oft programmiert. Er entzündet sich gerne an der Frage, in welchem Zustand die Immobilie zu hinterlassen ist und wer welche Reparaturen zu tragen hat. So passiert es auch gerade zwischen der Gemeinde Gräfelfing und dem Bayerischen Roten Kreuz (BRK), das 30 Jahre lang das Alten- und Pflegeheim Rudolf- und Maria-Gunst-Haus im Ortsteil Lochham betrieben hat. Am Mittwoch haben sich die Parteien vor dem Landgericht getroffen. Es geht unter anderem um rund zwei Millionen Euro, die die Gemeinde vom BRK einklagt.

Das BRK war 30 Jahre lang Mieter, im Herbst 2016 endete das Mietverhältnis. Das BRK hätte das Heim gerne weiter betrieben, die Gemeinde entschied sich aber, das Haus selbst weiterzuführen und sich langfristig nach einem neuen Betreiber umzusehen, sobald ein neues Konzept für ein modernes Alten- und Pflegeheim erarbeitet ist. Laut Mietvertrag musste das BRK das Haus in einem "gebrauchsfähigen Zustand" übergeben, referierte der Richter aus der Akte. Ein von beiden Parteien gemeinsam beauftragter Gutachter sollte die nötigen Instandhaltungsmaßnahmen untersuchen. Er kam auf 1,7 Millionen Euro, die der Gemeinde zustehen würden. Beide Parteien hätten sich auf eine Fragestellung geeinigt, die der Leitfaden für den Gutachter gewesen sei, "wir haben gemeinsam um jedes Wort gerungen", betonte Bürgermeister Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing) in der Verhandlung. Die Gemeinde fordert neben den Instandhaltungskosten auch noch ausstehende Mieten von einem halben Jahr ein, die das BRK nicht bezahlt haben soll.

Aus Sicht des BRK ging der Gutachter aber von falschen Voraussetzungen aus und so beauftragte der Wohlfahrtsverband einen weiteren Gutachter. Dieser kam auf eine deutlich geringere Summe von fast 500 000 Euro. Das Haus sei im Jahr 2011 bewertet worden, der Zustand sei damals "picobello" gewesen, stellte die stellvertretende Geschäftsführerin des BRK Kreisverband München, fest. Innerhalb von fünf Jahren sei das Haus nicht so heruntergewirtschaftet worden, dass nun Maßnahmen von weit mehr als einer Million Euro anfallen würden. Im Gegenzug macht das BRK Schadenersatz geltend und eine Mietminderung: Die langwierige Entscheidungsfindung der Gemeinde, was mit dem Alten- und Pflegeheim geschehen soll, habe zu Verunsicherung geführt. Es sei von da an schwieriger gewesen, Mitarbeiter und neue Bewohner zu gewinnen. Der Richter sah einen Widerspruch darin, dass das BRK eine Mietminderung von 25 Prozent ansetzt, allerdings sieben Monate lang gar keine Miete bezahlt habe. Der Rechtsbeistand erklärte, Mietminderung und Schadenersatz aufgerechnet zu haben.

Welches Gutachten ist nun das richtige, lautet die Kernfrage. Ob ein drittes Gutachten die Antwort liefert, ist fraglich. Es würde im Ergebnis wohl zwischen den beiden anderen liegen, meinte der Richter. Gewonnen sei damit nur ein Honorar für den Sachverständiger. Der Richter plädierte für einen Vergleich. Einen Vorschlag wird er den Parteien in den nächsten Wochen unterbreiten.

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