Süddeutsche Zeitung

Gräfelfing:"Einseitigkeit der Abwägung"

Gräfelfinger Lehrer organisiert Mahnwache zu Corona-Auflagen

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Die Waage ist im Ungleichgewicht auf dem Transparent: Die Angst vor der Überlastung des Gesundheitssystems wiegt darauf schwerer als Bildungsnotstand, Rezession, Angst vor Arbeitslosigkeit, Insolvenz oder Isolation der Alten und Schwachen. Gegen dieses Ungleichgewicht, das Thomas Langhof in den aktuellen Regierungsmaßnahmen erkennt, richtet sich eine von ihm initiierte Mahnwache. Sie fand unlängst erstmals vor dem Bürgerhaus in Gräfelfing statt, soll diesen Samstag von 15 bis 16 Uhr wiederholt werden - und nach und nach auf andere Orte im Würmtal ausgedehnt werden. Die Mahnwache steht für die Wiederinkraftsetzung des Grundgesetzes.

Langhof ist Lehrer am Kurt-Huber-Gymnasium in Gräfelfing und als solcher vielen Gräfelfingern bekannt. Die Mahnwache jedoch ist seine Privatinitiative. In Zeiten der Ausgangsbeschränkung war es nicht einfach, eine Genehmigung für die Versammlung zu erhalten, berichtet er. Nach einer ersten Ablehnung genehmigte das Landratsamt die Versammlung dann doch für zehn Personen, jedoch mit einer Reihe von Auflagen. So versammelten sich einige Mitstreiter aus dem Freundes- und Bekanntenkreis unter Einhaltung der Abstandsregeln in einem mit Absperrband markierten Areal unter polizeilicher Aufsicht vor dem Bürgerhaus.

Langhof und die anderen Teilnehmer wollen darauf hinweisen, dass im Grundgesetz verankerte Rechte in ihren Augen nicht gleichrangig behandelt werden. "Es gibt eine Einseitigkeit der politischen Abwägung." Dem Recht auf körperliche Unversehrtheit komme derzeit beispielsweise mehr Bedeutung zu als etwa dem Recht auf Freizügigkeit oder auf Versammlungsfreiheit. "Alle Grundrechte haben den gleichen Rang", betont Langhof. "Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit bezieht sich nicht nur auf die Vermeidung der Corona-Toten, sondern auch darauf, dass Menschen nicht in Einsamkeit sterben, dass Menschen unter Umständen gegen ihren Willen geimpft werden sollen oder dass sich Menschen umbringen, weil sie keinen Ausweg mehr sehen." Im Hinblick auf die in seinen Augen nur unwesentliche Lockerung der Ausgangsbeschränkungen nach Ostern und der Verschiebung des Schulstarts, wollen die Teilnehmer auf die Fragwürdigkeit und Angemessenheit dieser Maßnahmen hinweisen, so Langhof und kündigt an: "Wir werden jeden Samstag um 15 Uhr in Gräfelfing stehen, solange bis die Maßnahmen gänzlich aufgehoben wurden."

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SZ vom 25.04.2020
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