Gräfelfing:Ein Filius für alle Fälle

Emilian Detig aus Gräfelfing ist erst zehn Jahre alt, aber schon erfolgreich als Selfmade-Unternehmer. Er fertigt allerlei Produkte und verkauft sie an einem mobilen Stand. Der derzeitige Renner bei den Kunden: selbst produzierte Fackeln in Betonformen

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Wenn Eltern überlegen, wie sie ihrem zehnjährigen Sohn eine Freude zum Geburtstag machen können, dann kommt ihnen vielleicht ein Fußballtrikot in den Sinn, oder ein Fahrrad. Sicherlich aber kein sogenannter Shoprider. Das Gefährt gibt es im Rehabilitationsbedarf zu kaufen, eine Art motorisierter Stuhl mit Lenker, es fährt gerade mal zehn Stundenkilometer schnell. Die Eltern von Emilian Detig aus Gräfelfing waren jedoch glücklich, das behäbige Gefährt für ihren Sohn besorgt zu haben.

Dieser konnte zwar auf den ersten Blick den wahren Charme des Geschenks, mit dem üblicherweise "alte Omas zum Einkaufen fahren", wie Emilians Schwestern die Funktion bezeichnen, nicht erkennen. Doch als klar wurde, wofür das Ding gedacht ist, war die Freude groß: Der Shoprider sollte der fahrbare Untersatz für seinen Verkaufsstand werden. Genial, fand der Zehnjährige. Denn Emilian Detig ist Handwerker, Künstler, Organisator, Verkäufer und Unternehmer. Freilich ist er auch noch Schüler, aber das ist eher Nebensache in seinem Leben. Sein Herz schlägt fürs Produzieren und Verkaufen.

Gräfelfing: Emilian in seinem Element: Der Sohn der Detigs stellt die Kerzen und Fackeln sowie deren Einfassungen in Eigenarbeit her.

Emilian in seinem Element: Der Sohn der Detigs stellt die Kerzen und Fackeln sowie deren Einfassungen in Eigenarbeit her.

(Foto: Catherina Hess)

Im Moment hat er sich auf Fackeln spezialisiert sowie Betonschalen, in denen Teelichter die goldene Schaleninnenseite stimmungsvoll ausleuchten. Die Ware verkauft er an seinem Verkaufsstand, mit dem er durch Gräfelfing zieht. Und da kommt der Shoprider ins Spiel: Denn sein größter Wunsch war es, für seinen Stand ein Gefährt zu haben, um die Ware besser transportieren zu können. Der Shoprider wurde also mit Holzplatten verkleidet, mit Plexiglasschreiben versehen, welche ihm seine drei Schwestern zu Weihnachten geschenkt hatten. Der kleine Oma-Flitzer erhielt eine Anhängerkupplung, an die Emilian seinen Verkaufsstand hängen kann.

Routiniert führt er alle Funktionen seines mobilen Ladens vor: Haken weg, Klappe runter - schon hat er eine Theke. Noch ein Haken weg und ein Holzbrett an einem Scharnier ausgeklappt, schon hat er einen Halter für diverse Obstkisten, in denen er seine Ware präsentiert. Im Fahrerhäuschen hängt ein Schild mit der Aufschrift "Alles handmade"; eine Kasse hat er auch und zwei Außenspiegel, beim Schrotthändler erworben, für besseres Rangieren. Wenn Emilian auf Verkaufstour geht, lässt er sich von seiner 17 Jahre alten Schwester Amelie fahren, denn er darf den Shoprider noch nicht selber lenken.

Gräfelfing: Auch das Abkassieren der Kunden übernimmt Emilian selbst. Sein Berufsziel? Erfinder, was sonst.

Auch das Abkassieren der Kunden übernimmt Emilian selbst. Sein Berufsziel? Erfinder, was sonst.

(Foto: Catherina Hess)

Seine Ware kommt gut an: Beim Gräfelfinger Weihnachtsmarkt hat er schon verkauft, bei der 50-Jahr-Feier der Musikschule, beim Schulflohmarkt und vor dem Bürgerhaus. Jedes Mal kamen rund 200 Euro zusammen.

Sachen verkaufen - damit hat Emilian schon im Alter von fünf Jahren angefangen. Den ersten Stand, an dem er Äpfel feilbot, baute er vor der Haustür auf der Straße auf. "Das hat die Nachbarn genervt", erinnert sich seine Mutter, Celina Detig. Emilian hatte die Straße abgesperrt und mit einer Kelle den Verkehr umgeleitet. Im Laufe der Zeit kamen weitere Verkaufswaren hinzu. Mit den Schwestern häkelte er bunte Mützen mit Bommel. Dann entdeckten die Detig-Kinder auf dem Tollwood-Festival einen Fackelverkäufer, die Idee mit der Wachsproduktion war geboren: Flüssiges Wachs wird in Papprollen gegossen und zu Fackeln für den Garten. Zudem produziert Emilian Betonformen, die, mit Wachs ausgegossen, zu dekorativen Kerzenlichtern werden. Ferner hat er noch goldene Schalen im Sortiment; Schwester Florine näht Kulturbeutel.

In der Detig-Garage parkt längst kein Auto mehr. Sie ist zur Werkstatt von Emilian geworden. Stichsäge, Bohrmaschine und Akkuschrauber liegen griffbereit, auf einer Elektroplatte erwärmt er das Wachs; an der großen Werkbank kann er Beton verarbeiten. Anfangs hat die Mutter ihm kleine Eimer mit Kreativbeton gekauft. Inzwischen schleppt sie Säckeweise Zement aus dem Baumarkt an. In einer Ecke lagern die Wachsbestände, rot und weiß getrennt. Vor dem Gartentor steht eine Tonne bereit, damit die Nachbarschaft ihre Wachsreste entsorgen können. Der umtriebige Bub warf überdies in Gräfelfing Handzettel in die Briefkästen, auf denen er um Wachsspenden bat. Da kam nach Weihnachten dann so einiges zusammen.

Gräfelfing: Der derzeitige Renner bei den Kunden: selbst produzierte Fackeln in Betonformen.

Der derzeitige Renner bei den Kunden: selbst produzierte Fackeln in Betonformen.

(Foto: Catherina Hess)

Die Familie richtet inzwischen ihren Ernährungsplan nach der aktuellen Produktion Emilians aus: Sie verzehrt bergeweise Müsli, weil das in diesen großen Pappröhren verkauft wird, in die ihr Sohn Wachs gießen kann. Deshalb waren auch die Chips im Pappcontainer zur Fußball-WM sehr gefragt. Es gibt da so einige Tricks um die Fackelproduktion, lässt Emilian durchblicken, aber die will er nicht verraten, "Geschäftsgeheimnis", insistiert er.

Routiniert verarbeitet Emilian den flüssigen Zement, mit Mundschutz, weil es so staubt. Oft kommen Freunde, die ihm helfen. In drei Tagen produziert er 60 goldene Schalen. Das lohnt sich wirtschaftlich, denn es geht ihm auch ums Geldverdienen, sagt seine Mutter. Die Produktpalette richtet sich nach dem, was am Verkaufsträchtigsten ist. Die Fackeln kosten zwischen zehn und 15 Euro und gehen "weg wie warme Semmeln", bestätigt Emilian.

Wie der Sohn zu seinem ungewöhnlichen Hobby kam? Keiner weiß es in der Familie. Vielleicht, weil er seine Ideen immer ausleben konnte. Und es so machen durfte, wie er wollte. Wenn andere Zehnjährige ihre handwerklichen Fähigkeiten erproben wollen, sind ja nicht selten engagierte Väter zur Stelle, die die Regie übernehmen. Am Ende sieht das Gebastelte aus, wie das Werk des Vaters, der Sohn durfte nur den Hammer halten. Bei Emilian Detig ist alles original Emilian. Und das ist erstaunlich professionell. "Mal sehen, wie lange er das noch macht", sagt seine Mutter. Für Emilian ist klar: ewig. Denn er will mal Erfinder werden.

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