Süddeutsche Zeitung

Gräfelfing:Die Schichtarbeiterin

Marion Kausche, ausgebildete Innenarchitektin, malt Bilder mit Tiefenwirkung, indem sie Farbfläche über Farbfläche legt. Viele Arbeiten der Gräfelfingerin entstehen spontan, ohne deshalb beliebig zu sein

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Was kann das kleine Grau gegen das große Orange ausrichten? Warum nimmt Türkis es so gut auf mit Orange? Ebenso Pink-Magenta? Und welche überraschenden Möglichkeiten bietet die Kombination Lila und Grün? Wer mehr davon wissen möchte, muss aufsteigen - zwei steile Holzstiegen hinauf zum Atelier der Gräfelfinger Malerin Marion Kausche. Tritt der Besucher über die Schwelle, taucht er ein in die Welt der Farben. Sofort fällt der Blick auf das Regal mit den Glasfläschchen voller Pigmente, säuberlich sortiert nach Farbtönen, von hellstem Gelb bis zu dunkelstem Blau. Auf einem Tisch daneben schwappen sie, angerührt mit Acrylbinder, in vielen Schälchen. Marion Kausche setzt sie auf der Leinwand nebeneinander, schichtet sie übereinander, lässt sie miteinander kommunizieren - ein virtuoses Farbenspiel.

Marion Kausche hat ihre Farbenwerkstatt in der Ateliergemeinschaft Reismühle in Gauting. Seit zehn Jahren ist sie freischaffende Künstlerin, ihren Job als Innenarchitektin hat sie aufgegeben. Es war ein mutiger Schritt, aber für sie der einzig richtige, sie hat sich einen Traum damit erfüllt. Kausche liebt es, mit Farbe zu experimentieren. Die Töne im Pigmentregal bergen immer neue Möglichkeiten, überraschen noch nach all den Jahren. Wie das Orange. Viele Jahre konnte sie gar nichts damit anfangen, dann hat die Farbe sie eines Tages angesprungen. Jetzt ist Orange für sie eine starke Farbe, die starke Gegenspieler braucht. Da kommt das Türkis ins Spiel oder das Pink-Magenta und das kleine Grau, dem sie manchmal noch etwas Blau beimischt.

Kausche arbeitet mit den reinen Farbpigmenten, die sie sehr flüssig verarbeitet, fast wie in der Aquarellmalerei. Im Atelier reihen sich die Bilder auf dem Boden aneinander, wenn sie kreativ ist. Sie malt an vielen Werken gleichzeitig, oft wochen- und monatelang. Schicht legt sie über Schicht, bis die Farben von unten nach oben durchschimmern und den Betrachter förmlich in die Tiefe ziehen. Vieles entsteht spontan beim Arbeiten, ohne jedoch beliebig zu sein. "Gesteuerte Intention", beschreibt sie ihre Vorgehensweise. Durch rechteckige Flächen schafft sie eine gefühlte Ordnung auf der Leinwand, und doch ist Bewegung in den Bildern. Kausche arbeitet flächig, aber da sind auch Linien, Spuren, Formen - es gibt immer etwas Neues zu entdecken. Ihre Bilder leuchten, haben eine Leichtigkeit und sind schön. Auch wenn "schön" oft verpönt ist in der Kunst, sagt Kausche. Aber die Betrachter ihrer Bilder bekommen "leuchtende Augen", das kann nicht falsch sein.

Kausche stellt viel und oft aus, auch im Würmtal ist sie als Künstlerin präsent. Schon häufig hat sie ihre starken Bilder im Gräfelfinger Bürgerhaus gezeigt, im Planegger Rathaus, jeden Juli bei den Ateliertagen in der Reismühle in Gauting, auch bei einem Ausstellungsprojekt des Gräfelfinger Kunstkreises. Das Publikum in der Region würdigt das Kulturangebot, findet sie. Hier draußen gibt es noch Muße, sich etwas anzuschauen, zu den Ateliertagen strömen Tausende. Wer eine Kausche-Ausstellung besucht, bekommt immer auch ein wenig von der Innenarchitektin zu sehen. Kausche ist auf Raumwirkung aus, sie hängt ihre Bilder so, wie sie im Raum am besten wirken, und sie tauscht sie so lange aus, bis es den "magischen Moment" gibt, in dem alles zusammenpasst. Das ist auch der Moment, in dem sie beim Malen den Pinsel weglegt - wenn alles passt, wenn der große Farbklang stimmt.

Viele malen nebenher, weil es so hart ist, von der Kunst zu leben. Marion Kausche kennt da keinen Kompromiss, sie ist Überzeugungstäterin. "Ich lebe für die Malerei", sagt sie. Bewusst hat sie sich damit für ein Leben mit vielen Einschränkungen entschieden, denn es gibt keine Strategie, wie sich ein Bild verkauft. Oft kommt da der Zufall zu Hilfe. Sie erzählt von den beiden Spaziergängern, die auf das Atelier stießen und spontan mehrere Bilder kauften. Malkurse, ein kleiner bezahlter Job beim Gräfelfinger Kunstkreis füllen zusätzlich die Kasse. Manchmal ist trotzdem "mager", was bleibt. Was das alles aufwiegt, ist die "Freude an der Farbe", die sie als Künstlerin antreibt. Es ist eine Freude, die aus den Bildern spricht. Gerade hat sie sich an einen neuen Zyklus gemacht: Ahnungen von Landschaft sind im Farbenspiel zu erkennen. Sie hat auch eine Serie mit monochromen Bildern begonnen. Die Welt der Farben ist noch unendlich groß.

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Quelle:
SZ vom 21.05.2016
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