"Gottlos glücklich"-Buskampagne:Höllenfahrt durch München

Glauben oder nicht glauben ist die Frage bei der "Gottlos glücklich"-Stadtrundfahrt durch München. Selbst Gottkenner sind allerdings nicht immer auf dem richtigen Weg.

Anna Fischhaber

Glauben oder nicht glauben - das ist an diesem Samstag am Münchner Hauptbahnhof die Frage. Ein knallroter Doppeldeckerbus sorgt hinter dem Justizpalast für hitzige Diskussionen über Himmel, Hölle und die Bibel. "Und dann hat Jesus mich gefunden", schwärmt ein junges Mädchen und lächelt dabei etwas entrückt. Der Mann neben ihr schüttelt ärgerlich den Kopf. "Gottlos glücklich" steht in pink auf seinem Shirt - genau wie auf dem Bus im Hintergrund.

"Gottlos glücklich"-Buskampagne: Der "Gottlos glücklich"-Bus in München sorgt  für hitzige Diskussionen über Himmel, Hölle und die Bibel.

Der "Gottlos glücklich"-Bus in München sorgt für hitzige Diskussionen über Himmel, Hölle und die Bibel.

(Foto: Foto: Fischhaber)

Ein verbeulter Campingbus

Unter dem Motto "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott" ist die Berliner Buskampagne seit Wochen in Deutschland unterwegs, um für eine nichtreligiöse Weltsicht zu werben. An diesem Wochenende macht ihr Gefährt im katholischen Bayern Halt. Doch hier will man den Zweiflern nicht kampflos die Deutungshoheit überlassen - in Augsburg werden sie von einem Kirchenchor begrüßt, in München sind zwei Busse mit Alternativslogans in die Elisenstraße gekommen, um die Ungläubigen zu bekehren.

Der schneeweiße Bus mit der Aufschrift "Und wenn es ihn doch gibt ... Gottkennen.de?" verfolgt die Atheisten bereits seit Tagen. Gleich dahinter parkt nun ein verbeulter Campingbus mit Münchner Kennzeichen und der Bitte "Lies die Bibel!". Christliche Drogenarbeit (CDA) nennt sich der Verein, der auf Festivals junge Menschen mit Gottes Hilfe von Aufputschmitteln abhalten will. Diesmal verteilen sie Kuchen. "In der Bibel heißt es doch: Liebe deine Feinde", erklärt eine junge Gläubige.

"Wir wollen zeigen, dass wir gute Menschen sind"

Ihren Ursprung hat die Buskarawane in London. Dort sorgte die Werbekampagne "There is probably no god" (Wahrscheinlich gibt es keinen Gott) auf Linienbussen für Aufsehen. Die Buskampagne wollte die Idee nach Deutschland bringen - hatte die Rechnung aber ohne den Nahverkehr gemacht: Nicht nur die MVG lehnte die Aktion aus "weltanschaulichen Gründen" ab, selbst in Berlin befürchtete man Beschwerden der Fahrgäste. Mit Hilfe von Spendengeldern hat die Buskampagne nun einen eigenen Doppeldecker gemietet, der durch deutsche Städte tourt.

In München scheinen vor allem die Christen von dem Besuch angetan zu sein: "Man hat viel zu selten die Gelegenheit mit Andersdenkenden über den Glauben ins Gespräch zu kommen", sagt Klaus, ein junger, etwas untersetzter Mann vom CDA, und schenkt Kaffee aus der Thermoskanne nach. Sein Kollege Steffen stürmt derweil mit Putzeimer und Lappen bewaffnet zum Bus der Gottlosen und beginnt zu schrubben. "Wir wollen zeigen, dass wir gute Menschen sind", erklärt er dem verwunderten Fernsehteam stolz.

Assunta Tammelleo, Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit und Koordinatorin des Münchner Aufenthaltes, kann über so viel Nächstenliebe nur staunen. Zahleiche empörte Briefe habe sie im Vorfeld der Aktion bekommen, darunter auch den eines Pfarrers, sagt sie. Aber so etwas? Verwirrt schüttelt sie den Kopf, den eine Mütze mit der Aufschrift "religionsfreie Zone" ziert.

Der Gottlos-Fahrer drückt aufs Gas

In dem roten Doppeldecker der Ungläubigen haben derweil zwischen Plastikblumen und "Religion kann ihr Sexualleben schädigen"-Aufklebern ganz unterschiedliche Menschen zusammengefunden: Ein Schwabinger Künstler verkauft selbstgemachten "Heiliger Stuhl"-Senf, ein Hamburger Autor zitiert aus atheistischen Kinderbüchern und auf der Rückbank fragt sich eine Reisegruppe verzweifelt, wo sie da hineingeraten ist. "Schließlich wollen wir etwas über München und nicht über Gott erfahren", sagt eine Frau wütend. Dann geht es los.

Verwunderte Passanten

Lenbachplatz, Maximilianstraße, Odeonsplatz, Ludwigstraße - unermüdlich kurvt der Bus durch die Innenstadt. Ab und an sieht man verwunderte Passanten, die mit dem Finger auf das rot leuchtende Gefährt mit der seltsamen Aufschrift zeigen, einige Touristen zücken ihre Kamera. "Jetzt wird es ernst, jetzt geht der Streit zwischen Kirche und Gesellschaft richtig los", sagt Fahrgast Bernhard Thomas, der sich selbst als Skeptiker bezeichnet. Doch zumindest auf der Straße ist nichts davon zu merken. Den Pressesprecher der Buskampagne scheint es nicht zu stören: "So voll war der Bus noch nie", verkündet er fröhlich und beginnt seine Schimpftirade auf die "vom Staat finanzierte Religionspropaganda". Vielleicht wird es ja am Sonntag kontroverser: Da steht noch die christlich-sozial geprägte Provinz, einschließlich Stoibers Heimat Wolfratshausen und Kloster Schäftlarn, auf dem Fahrplan.

Langsam kommen die Gottlosen auf Touren, als am Siegestor plötzlich der weiße Gottkenner-Bus links vorbeizieht. Der Gottlos-Fahrer drückt aufs Gas und biegt blitzschnell in eine Seitenstraße ab, während die Christen an einer Ampel warten müssen. Bald sind sie außer Sichtweite. Selbst Gottkenner sind eben nicht immer auf dem richtigen Weg.

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