Gossip in München:Bebende Körperwelten

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Beim Konzert in München zeigt Gossip-Sängerin Beth Ditto vollen Körpereinsatz und gibt sich äußerst sympatisch. Doch eine dünne Blondine im Glitzer-Outfit stiehlt ihr fast die Show.

Beate Wild

Man kommt aus dem Stauen gar nicht mehr heraus. Beth Ditto wirbelt über die Bühne, von links nach rechts und wieder zurück. Sie schüttelt sich, sie posiert, sie schreit ins Publikum. Die Energie, die die Sängerin von Gossip am Mittwochabend in der Münchner Tonhalle transportiert, ist enorm.

Beth Ditto ist die Sängerin, Kopf und Seele von Gossip. (Foto: Foto: ddp)

"Big is beautiful" ist das Motto der 28-Jährigen, die seit Monaten Liebling der Boulevardpresse und von Modezar Karl Lagerfeld ist. Mit Verve wirft sich die Gossip-Frontfrau in ihr Image als "fette Lesbe" (so ihr Selbstbild) und erhält wundersamerweise von überall Applaus. Dies wundert insofern, weil wir in einer Epoche der Magermodels und Hungerhaken leben. Wer da 1,55 Meter groß ist und 100 Kilo wiegt, hat normalerweise nicht so viel zu lachen.

Vor diesem Hintergrund sind die Erwartungen an das Konzert in München sehr hoch. Man will sehen, was es mit dieser Beth Ditto auf sich hat. Und man will auch hören, ob die Musik von Gossip das hält, was sie verspricht.

Ihren Auftritt beginnt die Band mit "Dimestore Diamond" ihres neuen Albums "Music for Men". Es ist das vierte und erstmals von Rick Rubin produzierte Werk. Der Produzent, der damals schon Johnny Cash mit seinen American Recordings zu einem unverhofften Comeback verholfen hat. Ditto ist in ein hautenges, schwarzes Kleid gezwängt, ihre Haare trägt sie kurz und feuerrot. Mit einer erstaunlichen Kondition führt die übergewichtige Sängerin durch das Programm. Und irgendwie ist man fasziniert von dieser selbstbewussten Person dort vorne auf der Bühne.

Der Koch der Band, der das Catering für die Künstler organisiert, verrät uns: "Beth Ditto ist unglaublich nett und sie liebt bayerisches Essen, vor allem Schweineschnitzel." Außerdem ist sehr sympathisch, dass Ditto ständig ihr rudimentäres Deutsch auspackt und damit das Publikum anheizt: "Eins, zwei, Prost" oder "Deutschland ist mein Lieblingsland".

Doch auch wenn Ditto eine Wohltat ist im Vergleich zu all den durchtrainierten Madonnas, aufgesexten Beyoncés und zuckersüßen Rihannas, muss man leider sagen: Die Musik von Gossip ist Mainstream-Pop ohne besondere Vorkommnisse. Ein Song hört sich an wie der andere, alle folgen demselben Muster. Da können sich Ditto, ihre Schlagzeugerin Hannah Blilie und der Gitarrist Brace Paine abmühen wie sie wollen, die Lieder plätschern relativ seicht vor sich hin.

Freilich hat Gossip ein paar echte Ohrwürmer wie "Standing in the Way of Control" oder "Men in Love". Doch der Rest klingt verdammt eintönig. Auch Dittos Stimme ist nicht die einer Soul-Diva und an vielen Stellen viel zu dünn und oberflächlich.

Wohl um etwas Abwechslung in das Programm zu bringen, spielen Gossip eine Coverversion von Tina Turners "What's love got to do with it". An das Original kann diese Variante lange nicht heran. Da kann man der Band nur raten: Wer mit seiner Coverversion einen Song eher verhunzt als ihm neues Leben einhaucht, der sollte besser die Finger davon lassen.

Zu aller Überraschung kommt dann plötzlich eine dünne Blondine in Glitzer-Outfit auf die Bühne und singt den größten Hit von Gossip, "Heavy Cross". Beth Ditto entschuldigt sich, dass ihre Stimme am Ende und viel zu heiser sei. Die Blondine stellt sie vor als Alexandra Janson. Und erstaunlicherweise muss man sagen, dass die Stimme von Janson mit der von Ditto locker mithalten kann.

Dem Publikum in der Tonhalle scheint dies alles jedoch nicht so wichtig zu sein. Es feiert die Band aus den USA begeistert. Die Stimmung könnte kaum besser sein. An diesem Abend kristallisiert sich immer mehr eine Erkenntnis heraus: Das Geheimnis des Erfolgs von Gossip heißt Beth Ditto. Es ist diese aus allen Normen fallende Frau, die Aufmerksamkeit erregt, weniger die Musik der Band. Beth Ditto ist große Klasse. Sie ist ein außergewöhnliches Showtalent, äußerst sympathisch und irgendwie "en vogue", eine Stilikone im Modezirkus.

Doch wie es mit Modeerscheinungen nun mal so ist, ist zu befürchten, dass auch diese schnell wieder von der Bildfläche verschwinden wird.

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