Süddeutsche Zeitung

Landgericht München:Was im Glühwein sein darf - und was nicht

Ist ein Glühwein noch ein solcher, wenn ihm Bockbierwürze beigegeben wird? Eine Zivilkammer in München entschied jetzt, dass der Verbraucher mit dem Produkt einer sächsischen Brauerei "irregeführt" werde.

Von Susi Wimmer

Mit Einbruch der Dunkelheit öffnet der Münchner Christkindlmarkt am Montag auf dem Marienplatz seine Pforten. Richterin Anne-Kristin Fricke hat vergangene Woche thematisch schon mal vorgeglüht: Unter dem Motto "Wein oder nicht Wein" entschied die 17. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I, dass eine sächsische Brauerei ihren "Glühbo", laut eigenen Aussagen "der einzige gebraute Glühwein der Welt" nicht Glühwein nennen darf. Denn der Begriff "Wein" würde in der angebotenen Zusammensetzung buchstäblich "verwässert" werden, urteilte die Kammer.

Vielleicht gibt es auch eine EU-Verordnung über die erlaubte Flügelkrümmung bei den Christbaum-Engeln, ganz sicher aber gibt es eine darüber, was in einen Glühwein rein darf. Tatsächlich hat das Europäische Parlament 2014 "über die Begriffsbestimmung, Beschreibung, Aufmachung und Etikettierung von aromatisierten Weinerzeugnissen" eine 14-seitige Bestimmung über die Ingredienzen erlassen. Und das sind derer drei: Wein, Süßungsmittel und Gewürz. Punkt.

Nun trug es sich zu, dass eine Brauerei in der kleinen sächsischen Gemeinde Hartmannsdorf den "Glühbo" ersann: Ein "gebrauter Glühwein", auch in der Version Minze und Limette erhältlich, abgefüllt in einem 0,245-Liter-Fläschchen. Den könne man im Wasserbad erwärmen, in den ebenso bestellbaren Wärmeüberzieher stecken und heiß genießen. Seinen "einzigartigen Geschmack" erhalte der Glühwein durch die Beigabe von Bockbierwürze. Eine Weinkellerei aus dem schwäbischen Dasing versetzte dieses Gebräu nicht in himmlisches Jubilieren - sie zog vor Gericht.

Zivilgerichte müssen sich ja mit allerlei auseinandersetzen, mit der Dezibel-Höhe von Laubsaugern oder der Penetranz von in Scharen aufgestellten Gartenzwergen. Die unter anderem für das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige 17. Kammer durfte tief in die Thematik der Bockbierwürze eintauchen. Geladen hatte sie dazu extra einen Önologen, der unter anderem mit Kellereitechnik und Weinbau vertraut ist. Der führte aus, dass die Bockbierwürze im herkömmlichen Sinne gar kein Gewürz sei, "sondern eine Flüssigkeit, die Gewürze empfängt". Bierwürze im Allgemeinen habe nichts mit einem Gewürz oder Süßungsmittel zu tun. Die Bockbierwürze im Besonderen sei kein hoch konzentrierter Stoff, deshalb sei der Wasserzusatz in den Getränken aus Sachsen "erheblich".

Nüchtern betrachtet befand das Gericht, dass der Verbraucher "irregeführt wird". Denn mit der Bockbierwürze gelange "ein zusätzlicher Wassergehalt von zwei Prozent in die Getränke der Beklagten". Dies sei für ein Produkt mit der Bezeichnung Glühwein unzulässig. Richterin Anne-Kristin Fricke erklärte, der Wassergehalt in Glühwein unterliege strengen Vorgaben: "Nur zum Süßen oder zur Beigabe von Gewürzen sei Wasser zulässig, in so geringen Mengen wie möglich." An diese Vorgaben aber habe sich die Brauerei Hartmannsdorf nicht gehalten. Dem munteren Weihnachts-Vorglüher werden mit dem "Glühbo" Eigenschaften des Traditionsgetränke Glühwein vorgegaukelt, die dieser wegen des zu hohen Wassergehalts aber nicht habe.

Die Frage, ob dies dem Verbraucher nach Genuss mehrerer "Glühbos" mit einem Alkohol-Prozentgehalt von 9,8 noch auffällt, hatte das Gericht nicht zu entscheiden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Nichtsdestotrotz kann die Glühwein-Saison beginnen.

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