Null Acht Neun:Der lange Weg nach Fröttmaning

Null Acht Neun: Wegen der Corona-Pandemie tagt der Stadtrat häufig im Pferdepalast in Fröttmaning.

Wegen der Corona-Pandemie tagt der Stadtrat häufig im Pferdepalast in Fröttmaning.

(Foto: Florian Peljak)

Was es bedeutet, wenn weniger Busse und Bahnen unterwegs sind, haben die Münchner Stadträte diese Woche am eigenen Leib erfahren. Vielleicht wären ja Pferde eine Alternative für die Verkehrswende. Vorbilder gibt es, zumindest im Fernsehen.

Kolumne von Anna Hoben

"Der lange Weg nach Sacramento", so heißt eine Folge in Helmut Dietls wunderbarer Fernsehserie "Münchner Geschichten". Die Protagonisten Tscharlie, Gustl und Achmed geben sich in der Folge mit großer Ernsthaftigkeit und Melancholie als die Cowboys Zorro, Gringo und Zapata aus, die eines frühen Morgens an der Isar beschließen, den Fasching noch ein bisschen zu verlängern. Und so beginnen sie eine lange Reise, vom imaginierten Rio Bravo hinauf durchs Tal des Todes und vorbei an San Maximilianeo. Mit drei geliehenen Pferden ziehen sie schließlich durch die Ludwigstraße in Richtung Siegestor. Irgendwann werden sie von der Polizei aufgehalten, der Roadtrip endet vorläufig in der Gefängniszelle.

Wären die Cowboys damals einfach weiter geradeaus geritten, sie hätten irgendwann Fröttmanento, äh, Fröttmaning erreicht. Wie hätten sie dort sonst auch hinkommen sollen? Der Streckenabschnitt der U6 von der Haltestelle Kieferngarten nach Fröttmaning wurde erst 1994 eröffnet, gut 20 Jahre nach den Dreharbeiten der "Münchner Geschichten".

Heute gibt es in Fröttmaning den Showpalast. Konzipiert für spektakuläre Schauen mit dressierten Pferden, Reitkunst und Artistik, tagt dort mittlerweile regelmäßig der Münchner Stadtrat - weil mehr Platz ist als im Rathaus, um in Pandemie-Zeiten Abstände einzuhalten. Heute gibt es auch die U-Bahn nach Fröttmaning, doch am Mittwoch hat die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) die Lokalpolitikerinnen auf dem Weg zur Debattenshow auf der Strecke gelassen. Eine Kostprobe, passend geliefert am Tag, nachdem die MVG angekündigt hatte, ihr Angebot zum Fahrplanwechsel im Dezember wegen Finanzierungsnöten zurückzufahren?

Jedenfalls fuhr zeitweise keine U6 mehr; eine Bahn verharrte stoisch an der Haltestelle Kieferngarten, von wo aus sich Grüppchen per pedes auf den Weg machten. "Fußmarsch nach Fröttmaning", twitterte SPD-Fraktionschefin Anne Hübner. "Die Verkehrswende nimmt dramatische Züge an (letztere sind nämlich nicht mehr gefahren)." Und Grünen-Stadträtin Judith Greif postete nach ihrer Ankunft ("42 Minuten verspätet") ein Bild von einem Pferd: "Zum ersten Mal hat mich bei der Vollversammlung des Stadtrats München im Showpalast ein echtes Pferd empfangen!" Damit, so vermutete Greif, wäre sie am Morgen deutlich schneller gewesen als mit der S-Bahn und der U-Bahn.

Auch wenn es dem Tscharlie, dem Gustl und dem Achmed aus den "Münchner Geschichten" bei ihrem Roadtrip zu Pferd durch die gemütliche Stadt der Siebzigerjahre sicher zuallerletzt um Geschwindigkeit gegangen ist - bei einem Plädoyer für eine Verkehrswende mit mehr Pferd hätten sie wohl zugestimmt. Stilvoller als E-Roller für das letzte Stück des Weges wären die Vierbeiner allemal. Klimaneutral sowieso. Und "Park & Ride" würde eine ganz neue Bedeutung bekommen.

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