Süddeutsche Zeitung

Glonn:"Wir haben uns nichts vorzuwerfen"

Karl Schweisfurth will in Herrmannsdorf aber die Standards noch weiter verbessern

Von Carolin Fries, Glonn

"Hinterhältig und gemein" - das sind die Worte, die eine Kundin im Hofladen in den Herrmannsdorfer Landwerkstätten in Glonn im Landkreis Ebersberg wählt. Hinter ihr ist die Fleischauslage gut gefüllt, alles Bio-Qualität. Das dunkelrote Rinderfilet liegt vorne links, 100 Gramm kosten 6,99 Euro. Daneben Ochsenfetzen und Teile vom Schwein: Lende, Hinterhaxe, Nuss. Es sind in diesen Tagen vor allem aufbauende Worte, die die Mitarbeiter in Herrmannsdorf von ihren Kunden hören. Beschwerden gebe es keine, wenn dann höchstens über die Presse. Auch Geschäftsführer Karl Schweisfurth berichtet von "mehr Zuspruch als Ablehnung".

Die Soko Tierschutz, ein Verein mit Sitz in Augsburg, hatte in der vergangenen Woche "Lügen im Bio-Märchenland Herrmannsdorf" angeprangert und von "getäuschten Verbrauchern" gesprochen: Die Zuchtsauen würden in Kastenständen leiden, die Ferkelsterblichkeit sei bedenklich hoch, die Tiere würden mit Antibiotika behandelt. Es gebe kaum Unterschiede zur industriellen Schweinemast. Ein schwerer Vorwurf, gilt Herrmannsdorf doch als Musterbeispiel der ökologischen Landwirtschaft. Anfang der Achtzigerjahre hatte Karl Ludwig Schweisfurth seine Fleischwarenfabrik Herta verkauft, weil er die Schweine nicht weiter zur Sau machen wollte, wie er später in einem seiner Bücher schrieb. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren seine drei Kinder - allen voran Karl. Der 56-jährige Agrar-Ingenieur leitet den Betrieb seit 1996, er lebt mit seiner Frau, drei Kindern und dem Lehrling im alten Gutshaus. Schaut er vorne aus dem Fenster, sieht er zu den Ställen, zum Wirtshaus, zur Metzgerei und Bäckerei. Blickt er hinten raus, sieht er den Hofladen.

Seine Reaktion auf die Anschuldigungen der Tierschützer? Er hat die Vorrichtungen für die Kastenstände im Abferkelungsstall abmontiert und den Tierarzt gewechselt. Hätte er das auch ohne die Berichte gemacht? "Die Gestänge hätte ich auf jeden Fall abgebaut", sagt Schweisfurth. Bereits im Sommer 2015 habe er verschiedene Stallmodelle für die freie Abferkelung besichtigt, es habe sogar schon Pläne für einen Umbau des Stalls in Herrmannsdorf gegeben. Der Tierarztwechsel sei auf Wunsch des Veterinärs erfolgt.

Karl Schweisfurth beteuert, seine 600 Schweine stets nach den europaweit geltenden Vorschriften gehalten und auch die privatrechtlichen Standards des Bioverbands Biokreis eingehalten zu haben: "Wir haben uns nichts vorzuwerfen." Grundsätzlich werde sich auch nichts ändern in Herrmannsdorf. Die 35 Zuchtsauen sollen auch künftig zwei Mal im Jahr abferkeln, bereits seit Herbst 2015 geschehe dies überwiegend ohne Fixierung in den umstrittenen Kastenständen. Antibiotika kämen lediglich zum Einsatz, wenn es sich nicht vermeiden ließe.

"Wir wollen besser werden", doch das gehe nur langsam. Zu wenig würde in der ökologischen Landwirtschaft geforscht, klagt Schweisfurth. Der Marktanteil von Bio-Schweinefleisch in Deutschland liegt unter einem Prozent. Also behelfe man sich selbst: "Man besucht die Mutigsten und schaut sich was ab", sagt Schweisfurth.

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SZ vom 06.02.2016
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