Glockenbachviertel:Saftige Mieterhöhungen gefährden Läden rund um den Holzplatz

Glockenbachviertel: Weil die Bauer Media Group die Mietverträge für ihre Immobilien erhöhen will, wächst im Viertel die Aufregung.

Weil die Bauer Media Group die Mietverträge für ihre Immobilien erhöhen will, wächst im Viertel die Aufregung.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • In einem großen Häuserblock im Glockenbachviertel müssen viele Geschäfte schließen - neue Mietverträge verlangen deutlich mehr Geld von ihnen als bisher.
  • Das kann sich nicht jeder leisten - einige Läden haben bereits geschlossen, andere hadern noch mit der Entscheidung.
  • Das Viertel trifft es hart, Geschäfte des täglichen Bedarfs verschwinden.

Von Birgit Lotze

Das Wort Mietwucher hört man derzeit häufig im Glockenbachviertel. Vor allem am Holzplatz: Der Eigentümer des großen Blocks an der Ecke Westermühl- und Holzstraße soll Folgeverträge mit den Geschäften nur dann abschließen, wenn die Mieter saftige Erhöhungen in Kauf nehmen. Bei den etwa zehn Läden im Erdgeschoss ist von beinahe 30 Prozent Steigerung die Rede, in einem Fall sogar von 35 Prozent. Von Knebelverträgen spricht man dort, die auf fünf Jahre binden und den Mieter zu allen Reparaturen verpflichten.

Nicht jeder kann das mitmachen: Die Kosmetikerin hat ihren Laden bereits zum Jahreswechsel geräumt, in den leeren Fenstern hängt lediglich die Nummer eines Maklers. Ende März wird voraussichtlich das Goldschmiedeatelier Schmelztiegel schließen, ebenso der szenige Friseurladen um die Ecke. Er ist seit mehr als 20 Jahren am Holzplatz. Die Apotheke will bleiben, solange der bestehende alte Vertrag noch gilt. Wie es dann weitergeht, ist offen.

Das Viertel trifft es hart, Geschäfte des täglichen Bedarfs verschwinden: Auch Schreibwaren Weber, seit 26 Jahren an der Westermühlstraße 1 zu finden, zieht aus. Der Familienbetrieb, einer der ältesten am Glockenbach und dort auch die Postfiliale, hatte nach eigenen Worten immer ein gutes Verhältnis zum Vermieter, der Bauer Media Group in Hamburg.

Die Miete sei über die Jahre sehr moderat gestiegen, berichtet ein Mitarbeiter im Familien-Team, Peter Weber. Bis im vergangenen Jahr eine neue Immobilienmanagerin aufgetreten sei und neue Verträge vorgelegt habe, "völlig überzogene". Zum Gespräch sei der Eigentümer nicht bereit. Dass immer pünktlich die Miete gezahlt wurde, interessiere heute nicht in Hamburg, sagt Weber. "Der schnelle Reibach zählt."

Auf der Theke klebt ein Zettel: "Mietpreiswucher in München - auch wir sind betroffen: Wir suchen 150 bis 250 Quadratmeter Ladenfläche - gerne auch im Viertel." Einige Kunden sprachen im Bezirksausschuss vor: Die Lokalpolitiker sollten sich einschalten. Wenn alteingesessene Geschäfte sterben und die Grundversorgung der Bürger infrage gestellt werde, müsse man was tun, forderte der evangelische Pfarrer Wolfgang Scheel. Während die Aufregung im Viertel wächst, hält sich der Eigentümer, die Bauer Media Group, zurück. "Wir wollen uns dazu nicht äußern", sagt Bauer-Pressereferent Christoph Ploß.

Goldschmiedemeisterin Yasmin Mirza-Zadeh, die mit Albrecht Scharf den "Schmelztiegel" führt, hat ihre Auszubildende bereits auf die vorzeitige Kündigung vorbereitet. Die beiden Goldschmiede rechnen nicht damit, dass sie bald wieder eine Werkstatt finden. 14 Jahre sind sie schon hier, sechs Wochen bleiben noch. Lieber wäre es ihnen gewesen, der Eigentümer hätte ihnen noch bis Sommer Zeit gegeben. Doch er habe auf die Anfrage nicht mal reagiert, sagt Yasmin Mirza-Zahdeh. "Unsere Situation hier interessiert nicht." Er habe sie vor die Wahl gestellt: 400 Euro jeden Monat mehr für die Miete, und das über fünf Jahre, oder gar nichts. "400 Euro - das bedeutet 800 Euro mehr Umsatz. Wo sollen wir die jeden Monat hernehmen?" Im Viertel wird es schwierig, das Mietniveau am Glockenbach zieht gewaltig an.

Mancher Mieter hat unterschrieben - mit mulmigem Gefühl

Das weiß auch Norbert Sedlbauer, der ein paar Läden weiter eine Bäckerei führt. Er habe unterschrieben, sagt er. Seine Rechnung: Verlässt er die Räume an der Holzstraße, koste ihn der Neuanfang mit Anschlüssen und Einrichtung rund 100 000 Euro. Noch einmal so viel Geld reinstecken, ohne zu wissen, wie es ausgeht, sei in seinem Alter nicht mehr drin, sagt er. Ganz wohl ist ihm nicht dabei.

Er habe einen "Knebelvertrag" unterschrieben - über fünf Jahre bindend, das bereite ihm Sorgen. Jederzeit könne der Supermarkt nebenan - derzeit noch ein Tengelmann - eine Backtheke eröffnen und ihm Konkurrenz machen. Außerdem beinhalte der neue Vertrag auch die Übernahme weiterer Kosten. Zudem müsse er die Bilanzen vorlegen; sogar die Öffnungszeiten könne der Vermieter ihm vorschreiben.

Auch der Blumenladen bleibt. Noch ein Umzug wäre ihr zu viel, sagt die Geschäftsführerin. Ebenso Sabine Heindl vom Salon Glanz und Gloria, die nach 14 Jahren im Haus die Höhe der sprunghaft gestiegenen Miete "schockierend" fand, doch nur anfangs. Die Lage sei 1a, eine Erhöhung an sich gerechtfertigt. "Und es nützt ja nix, wenn ich in Modebiskel sitz und meine Kunden im Glockenbach."

Auch den Bärenkindern, einem Kinderladen auf Elterninitiative, wurden wesentlich härtere Konditionen angeboten. Im Ergebnis hätten sie jedoch einen Mietvertrag "absolut im Rahmen" bekommen, sagt Andrea Aicher, die im Vorstand für Finanzen zuständig ist. Der neue Vertrag gelte fünf Jahre, die Höhe der Forderungen sei klar festgelegt. "Das gibt uns Planungssicherheit." Wären die Verhandlungen gescheitert, hätte der Kinderladen, der seit 20 Jahren dort beheimatet ist, schließen müssen.

Im Bezirksausschuss verfolgt man die Entwicklung am Holzplatz mit Sorge. Vorsitzender Alexander Miklosy (Rosa Liste) will den Fall dem Planungsreferat vorlegen. So einige Traditionsgeschäfte hätten schon aufgeben müssen in der Gegend, das Glockenbachviertel wandle sich immer mehr vom Wohn- zum Vergnügungsviertel. Bei Läden greife kein Mietspiegel, kein Milieuschutz. "Eine Erhaltungssatzung für Kleingewerbe wäre genauso wichtig wie die für Wohnungen."

Im Planungsreferat hat man sich vor drei Jahren schon damit beschäftigt, welche städtebaulichen Instrumente für Tante-Emma-Läden und anderes traditionelles Kleingewerbe zur Verfügung stehen. Das Ergebnis zeigte wenig Spielräume: Anders als beim Wohnungsmietrecht geht man beim Gewerbemietrecht von zwei gleichwertigen Vertragspartnern aus. Weder der Mieter noch der Vermieter bedarf eines besonderen Schutzes. Und für eine gesunde gewerbliche Mischung im Viertel, die es zu erhalten gilt, gebe es - anders als bei Wohnungen - keine objektiven Kriterien, hieß es damals. Nur gegen "störende" Gewerbenutzungen wie Spielhallen wurden rechtliche Vorkehrungen getroffen.

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