Kritik:Verehrer der Unterschiede

Das Giovanni Guidi Quintet präsentiert sich beim BMW Welt Jazz Award.

Von Ralf Dombrowski, München

Giovanni Guidis Musik fällt aus der Zeit. Denn der Steinway im Doppelkegel der BMW Welt schließt dem Pianisten aus Umbrien ein Stilmuseum auf, durch das er mit Wohlwollen schlendert. In einigen imaginären Sälen bleibt er länger stehen und reflektiert das Werk der alten Meister. Der Jarrett-Raum - mittlere Phase der Wiederentdeckung des Standard-Spiels in der frühen Achtzigern - zum Beispiel beeindruckt ihn sehr und inspiriert ihn zum Pastiche. Die Ibrahim-Halle - ebenfalls mittlere Periode, als kirchenmusikalische Harmonik und Swing sich mit panafrikanischem Flow verbanden - beeindruckt ihn vor allem in der Leichtigkeit der Oberfläche und lässt Motive wie das senegalesische "Fatou Yo" in die eigene Musik einfließen.

Das Pedal als Mittel für die große Geste

Überhaupt präsentiert sich Guidi gemeinsam mit seinem Quintett im Rahmen der Wettbewerbskonzerte des BMW Welt Jazz Awards als umarmender Verehrer der Unterschiede. Sein zentrales Mittel für die große Geste ist das Pedal. Es ermöglicht ihm, alles ineinanderfließen zu lassen, Andeutungen von kammerklassischer Feinheit, motivische Eindeutigkeit und freiheitliche Gleichzeitigkeiten der musikalischen Persönlichkeiten auf der Bühne. Und auch seine Partner lieben das Zugängliche. Der Saxophonist Francesco Bearzatti etwa schwelgt mit bedeutungsverhangenem Blick in der cordsakkojazzigen Behaglichkeit amerikanesken Mainstreams, musikalisch ebenfalls weit in den Achtzigern verankert. Roberto Cecchetto bevorzugt die gitarristische Lakonik im blechern klingenden Strat-Sound, der Bassist Joe Rehmer wiederum konzentriert sich auf die Musikdienlichkeit solide unauffälliger Begleitung. Lediglich João Lobo wirkt zwischenzeitlich störrisch, ein Reduktionist am Schlagzeug, der rhythmisch trocken skelettierend den ineinander fließenden Konzertsegmenten Form gibt. Ansonsten dominieren die Opulenz, das Klangschöne, das Wogende des Wohlgefühls mit Giovanni Guidi als Guide durch die hehren Hallen des Bewundernswerten.

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