Süddeutsche Zeitung

Giesing:Uhrmacherhäusl: Keine Beweise für vorsätzlichen Abriss

  • Die Stadt will, dass das illegal abgerissene Uhrmacherhäusl möglichst originalgetreu wieder aufgebaut wird. Dagegen hat der Eigentümer Klage eingereicht.
  • Schon bis zur Eröffnung des Prozesses könnte es ein ganzes Jahr dauern. Gründe dafür sind Änderungen beim Verwaltungsgericht und beim Denkmalschutz.
  • Die Staatsanwaltschaft hat indes keinen Beweis für eine vorsätzliche Zerstörung des Hauses gefunden. Der Eigentümer pocht auf ein Versehen eines Bauarbeiters. Das macht viele Anwohner zornig.

Von Renate Winkler-Schlang, Obergiesing

Komplex und langwierig ist die Aufarbeitung des illegalen Abbruchs des denkmalgeschützten Uhrmacherhäusls an der Oberen Grasstraße vom vergangenen August. Das hat Cornelius Mager, Chef der Lokalbaukommission, bei einem Besuch in der Sitzung des Bezirksausschusses Obergiesing-Fasangarten deutlich gemacht. Das Verfahren vor der achten Kammer des Verwaltungsgerichts sei noch nicht eröffnet; aufgrund neuer Aufgabenzuschnitte für dieses Gericht könne es bis zu einem Jahr dauern, bis es überhaupt dran sei, so Mager.

Verzögert habe sich die Angelegenheit, weil inzwischen das Denkmalschutzgesetz geändert worden sei, und einschlägige Gesetzesabschnitte ihre Nummer geändert hätten. So habe man bisweilen aneinander vorbeigeredet. Da der Eigentümer "weder Reue noch Einsicht" zeige, sich vielmehr als Opfer darstelle, weiter auf ein Versehen des Bauarbeiters verweise und die ermittelnde Staatsanwaltschaft keinen Beweis für eine vorsätzliche Zerstörung des historischen Hauses habe finden können, werde das Verfahren wohl auf einen Gutachterstreit hinauslaufen. "Und das ist nur die erste Instanz", so Mager.

"Wenn wir verlieren, werden Sie fordern, dass wir bis zum Äußersten gehen", sagte Mager an die Adresse der zahlreich im Saal anwesenden Anwohner, die um Wiedergutmachung kämpfen. Sicherlich werde auch die Gegenseite gegebenenfalls in Berufung gehen. Er gehe aber, so Mager, davon aus, dass es nur zwei Instanzen gebe. Dass das Uhrmacherhäusl letztlich vor dem Verwaltungsgerichtshof in Leipzig lande, sei sehr unwahrscheinlich. Dennoch: Der "Schandfleck", die "Zahnlücke", wie die Lokalpolitiker es formulierten, werde noch einige Zeit so bleiben. Das einzig Positive an diesem Zustand sei wohl, dass das Grundstück für den Eigentümer so lange "totes Kapital" darstelle.

Ob denn wenigstens am Ende gewährleistet sein werde, dass dort nicht höher als bisher gebaut werden dürfe, wollte die Bezirksausschuss-Vorsitzende Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne) wissen. Mager wagte die Prognose, dass Kubatur und Erscheinungsbild wiederhergestellt werden könnten, da gebe es gute Beispiele andernorts, vom historischen Material her sei das schon schwieriger. Die geretteten Baustoffe lagerten zwar "an einem geheimen Ort", den nur Polizei und Staatsanwaltschaft kennen. Denn der Eigentümer wolle unbedingt verhindern, dass aus diesem Lager ein Wallfahrtsort für Freunde des Denkmals werde. Dennoch gelte im Denkmalschutz für das Haus an sich: "Was weg ist, ist weg". Die Stadt aber argumentiere, dass es das Ensemble Feldmüllersiedlung noch gebe und dass dessen Wiederherstellung selbstverständlich noch möglich sei, berichtete Mager.

Es gebe zwar ein "Worst-case-Szenario", demgemäß der Eigentümer womöglich nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches bauen dürfe, was sich in die Umgebung einfüge - und an dieser Stelle stünden nach hinten und gegenüber durchaus höhere Bezugsfälle. Doch komme es zu diesem Ansinnen, werde auch die Lokalbaukommission "einige Nettigkeiten", so Mager ironisch, auf Lager haben. Er nannte etwa den Verweis auf Abstandsflächen oder den Ruf nach vielen teuren Stellplätzen in einer Tiefgarage. Der Eigentümer werde erkennen müssen, dass das, was er vor dem Abbruch gehabt habe, das Beste gewesen sei. "Da sind wir doch etwas beruhigt", kommentierte Dullinger-Oßwald.

Die Bürger jedoch blieben kritisch: Was sei mit dem Wiederherstellungsbescheid? Ob die Stadt da einen Termin gesetzt habe? Mager dazu: Nach Rechtskraft eines für die Stadt günstigen Urteils werde dem Eigentümer ausreichend Zeit gewährt, das Haus zügig wiederaufzubauen. Die Stadt habe dafür sämtliche historischen Unterlagen. Und in dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid für die Modernisierung des Uhrmacherhäusls sei ja der Beweis festgehalten, dass es die Möglichkeit gebe, das Grundstück mit einem kleinen Haus wirtschaftlich zu nutzen.

Alle haben die Bedeutung des Falls erkannt

Am meisten aber erboste die Bürger, dass man dem Eigentümer selbst offenbar keinen Vorsatz vorwerfen kann: "Das stinkt doch zum Himmel", tönte es aus der Bewohnerschaft. Die Behörden hätten wegen der Verdunklungsgefahr unverzüglich eine Hausdurchsuchung veranlassen sollen, so der Vorwurf. Die Stadt habe wohl "zu langsam, zu träge" gehandelt. Mager erklärte, es gelte die Unschuldsvermutung. Mehr könne er zu dem laufenden Verfahren nicht sagen.

Die Bürger aber dürften sicher sein, dass Stadt und Staatsanwaltschaft die Bedeutung des Falls erkannt hätten. Das zeige unter anderem, dass Stadtbaurätin Elisabeth Merk kürzlich die Nachbarn eingeladen habe. Dabei sei deutlich geworden: "Wir sind aufeinander angewiesen und wir ziehen am selben Strang", sagte Mager und fügte durchaus emotional hinzu: Von der Auswirkung her sei dieser Fall der schlimmste, den er in seiner langen Amtszeit erlebt habe.

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SZ vom 12.05.2018/bhi
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