Giesing/Maxvorstadt:Reise durch die Antike

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Dunkelroter Samt, bodenlange Roben, Corsage aus Muscheln: 15 Schülerinnen und ein Schüler des Asam-Gymnasiums spüren dem Wesen von Kleidung, Schmuck und Frisuren im alten Rom nach

Von Franziska Gerlach, Maxvorstadt

Julius Finkel hat das Thema so begeistert, dass er sich am Ende nicht entscheiden konnte. Während die meisten seiner Mitschüler nur ein Modell schufen, hat der 18 Jahre alte Schüler des Giesinger Asam-Gymnasiums gleich vier Ideen realisiert - zwei Kleidungsstücke für Männer, zwei für Frauen. "Früher haben sie sich den Stoff oft nur umgelegt und nicht genäht", sagt er. Seine Wangen schimmern bronzefarben, seine Füße stecken in Zehentrenner-Sandalen, über einer schwarzen Hose trägt er einen dunkelroten Samtumhang - im alten Rom ein Zeichen für Wohlstand.

"Eine Modereise durch die Antike" war ein P-Seminars überschrieben, das nun im "Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke" an der Katharina-von-Bora-Straße mit einer Modenschau seinen Abschluss fand. Über anderthalb Jahre hinweg haben 15 Schülerinnen und ein Schüler, Julius Finkel eben, unter Anleitung der Lateinlehrerin Diana Wutz dem Wesen von Kleidung, Schmuck und Frisuren in der Antike nachgespürt.

Sie lasen Quellen und begriffen Mode als Ausdruck gesellschaftlichen Ranges. Und, eine weitere Erkenntnis der Recherche: Die Antike inspiriert die Mode bis heute. Vor einigen Jahren erhoben sich etwa bei Dolce & Gabbana sizilianische Tempelsäulen auf fließenden Stoffen, und auch Gianni Versace hatte sich der antiken Mythologie bedient, als er den Medusenkopf zum Markenzeichen seines in den Siebzigerjahren gegründeten Labels machte. Wie sich nun schon eine Weile eindrucksvoll auf dem Münchner Oktoberfest beobachten lässt, haben auch die Flechtfrisuren locker die Jahrtausende überdauert. Nur dass die kunstfertigen Haarkränze dort zum Dirndl getragen werden und nicht zur Tunika.

Wer sich mit Stola & Co. nicht auskennt, der konnte die Grundbegriffe praktischerweise im Begleitheft zum P-Seminar nachschlagen. Das Übergewand einer griechischen Frau heißt Peplos, ist dem kleinen Glossar zu entnehmen. Ein Himation dagegen ist ein Mantel, der ähnlich wie die römische Toga um den Körper drapiert wird. Im Unterricht haben die jungen Münchner freilich auch Ovid gelesen. Der im Jahr 43 vor Christus geborene Dichter hatte recht konkrete Vorstellungen davon, wie kultivierte Damen auszusehen haben. Modetipps würde man diese Empfehlungen heute wohl nennen. Frauen sollten demnach ihre Reize zeigen, es dabei aber bitte nicht übertreiben. "Die goldene Mitte", erläutert Wutz kurz, bevor die Schüler ihren großen Auftritt haben.

Dass die Antike in der Geschichte der Mode immer wieder Relevanz hatte, wissen die Schüler also längst. Ebenso, dass den alten Römern und Griechen in Sachen Faltenwurf so schnell niemand Konkurrenz macht. So richtig verstand man das aber erst, als die Schüler zwischen den schneeweißen Statuen und Büsten aus Gips ihre Kreationen vorführten: Manche Schülerin hatten sich dem Original verpflichtet und nach Art einer reichen Römerin meterweise Stoff gegürtet. Die meisten aber gingen mit der Vorlage frei um und vereinten die Antike mit der Moderne: Eine Schülerin provozierte einen Stilbruch und trug statt zierlicher Sandalen klobige Stiefel von Doc Martens zu einem Jeans-Kleid nach antikem Schnitt. Eine andere der jungen Damen hatte sich die Corsage aus großen Muscheln gestaltet, von der ein langer Rock zu Boden strömte. Ein drittes Kleid war sommerlich kurz geraten - problemlos in München, fürs alte Rom aber vermutlich etwas gewagt. Doch genau in der Wandlungsfähigkeit liegt für Verena Sedlmeier der Reiz dieser Epoche. "Das waren einfache Schnitte, aus denen man aber viel rausholen kann", sagt die 19 Jahre alte Münchnerin, von der auch das Layout und die Zeichnungen des Begleitheftes stammen. Für die bodenlange Robe, in der sie bei der Modenschau durch den Lichthof des Museums geschritten ist, hat sie ganz bewusst einen hellen Beigeton gewählt. Ein damals sehr verbreiteter Farbton. Stoffe zu färben sei nämlich teuer gewesen, weiß Sedlmeier. Zehn Stunden hat sie an ihrem Kleid gearbeitet. Der Ausschnitt am Rücken ist tief, eine Lage feinen Tülls umspielt den Rock. Zart wie eine Ballerina des französischen Malers Degas, anmutig wie eine wohlhabende Patrizierin: Für ihren Entwurf hat sich Sedlmeier nicht nur Anregungen in der Antike Anregungen geholt hat, sondern auch bei modernen Designern.

Da passt das lateinische Sprichwort, mit dem Sedlmeier ihre Vision eines antik inspirierten Entwurfes im Begleitheft überschreibt: "Respice, adspice, prospice". Lerne von der Vergangenheit, beobachte die Gegenwart und schaue in die Zukunft.

© SZ vom 24.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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