Giesing:Fangstopp für den Müllfisch

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Hartmut Keitel kann seine Metallkunst-Skulptur derzeit noch nicht im Viertel aufstellen. Erst wenn Anwohner und Schulklassen wieder in den Alltag zurückfinden, soll dieser anfangen, Plastikreste zu fressen

Von Julia Weinzierler, Giesing

Eigentlich sollte der Müllfisch schon längst seinen Posten auf dem Giesinger Bahnhofplatz eingenommen haben und Passanten zum Innehalten auffordern. Doch nun ist das Projekt gestoppt. Müllfisch? Ja, richtig gelesen. Die Kunstinstallation des Fotografen Hartmut Keitel ist im Wortsinn zu verstehen: Der Müllfisch ist eine Metallfisch-Skulptur, die Plastikmüll schluckt. So wie tragischerweise auch seine echten Vorbilder im Meer.

Die Idee ist dem Künstler durch sein Projekt "Deine Isar" gekommen - eine Initiative mit dem Ziel, ein stärkeres Bewusstsein für eine saubere Isar und einen sauberen Isarstrand im Münchner Stadtgebiet zu schaffen. Der Münchner Fotograf und Künstler Hartmut Keitel hat sie 2011 gegründet, seit Juni 2014 sind die Mitstreiter, mit Sponsoren-Unterstützung, als eingetragener Verein aktiv. Keitel möchte die Müllproblematik nun weg vom Fluss hinein in die Viertel der Stadt tragen. Das mehrere Meter große Meerestier aus Metallrohren und Maschendraht darf, so das Konzept, von Passanten Stück für Stück mit Plastikmüll gefüttert werden.

Die Idee dahinter: Schulklassen, Vereine, aber auch Anwohner sollen die Aktionskunst als Paten sauberhalten und den Fisch immer wieder auch leeren. Zum einen wird das Plastik auf diese Art und Weise dem Recycling-Kreislauf zugeführt. Darüber hinaus sollen gut verwertbare Teile gewaschen und in dünne Streifen geschnitten werden. So können sie etwa im Kunstunterricht unter Anleitung zu Meerestieren gestrickt, gehäkelt oder anders "verbastelt" werden, wie Keitel sagt - auch wenn sich eine derartige Verwertung für Plastik zunächst eher ungewöhnlich anhört.

Doch dann kam Corona. Und mit Corona auch Lieferprobleme. Der Maschendrahtzaun, der verhindern soll, dass großer Müll im Fisch landet, war plötzlich nicht mehr so einfach zu bekommen. Überhaupt stockte das Projekt: Schulklassen und Vereine aus der Umgebung, die Kunstwerke basteln und den Fisch sauberhalten, haben gerade wohl oder übel einen anderen Fokus. So steht die Metallkonstruktion auch weiterhin in Erdweg im Landkreis Dachau, wo Keitel sie mit Hilfe des im Schweißen versierten Künstlers Rudi Reinstadler gefertigt hat. Der Maschendraht ist mittlerweile auch da. Seine Reise nach Giesing wird der Müllfisch vorerst dennoch nicht antreten.

Mit dem Bezirksausschuss Obergiesing-Fasangarten ist nun abgemacht, dass der Fisch nach den Sommerferien für die Giesinger aufgestellt wird. Dann sollte er eigentlich schon längst in ein anderes Viertel weitergereist sein oder vielleicht sogar Geschwister bekommen haben. Doch bevor Schulklassen und Vereine nicht zum Alltag zurückfinden, wird der Fisch kein Eigenleben entwickeln können und ohne lehrreichen Nutzen vermüllen. Hartmut Keitel will jedenfalls keinesfalls, dass die Anwohner den Fisch als "aufgesetztes Kunstwerk" empfinden. Er soll ein Teil des Stadtviertels werden, als Blickfang indirekt mit den Anwohnern agieren, zum Nachdenken sowie Mithelfen anregen. Jeder soll sich seinen eigenen Umgang mit Plastik vor Augen führen können. Doch gerade - so scheint es - ist dafür nicht genug Raum. Der Müllfisch steht bereit für die Zeit danach.

© SZ vom 22.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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