Giesing:Deftig und gescheit

Oskar Maria Graf, deutscher Schriftsteller,  (* 22.07.1894 - + 28.06.1967)

Nur zu Besuch: Oskar Maria Graf lebte bis zu seinem Tod in New York. Das Foto zeigt ihn 1964 bei der Ankunft in Riem. Aus Anlass seines 70. Geburtstages verlieh man ihm die Medaille "München leuchtet".

(Foto: Fritz Neuwirth)

Kultige Oskar-Maria-Graf-Lesungen im Giesinger Riffraff

Von Jutta Czeguhn, Giesing

Der Schuster Kraus lebt mit seiner Familie ein unauffälliges Leben im bayerischen Dorf Auffing. Grundfleißig sind sie, ordentliche Leut', die aus dem Österreichischen zugezogen sind. Nur ein wenig wundert es die Nachbarn, dass die Schusterin am Freitag die Böden schrubbt und nicht wie die anderen Frauen im Dorf am Samstag. Und so recht will es ihnen nicht in den Kopf, warum sich die Familie jeden Freitagabend um den gedeckten Tisch zusammenfindet und Kerzen anzündet.

1947 erschien Oskar Maria Grafs Roman "Unruhe um einen Friedfertigen". Meisterlich gelingt es ihm darin, am Schicksal des jüdischen Schusters Kraus in seinem bayerischen Dorf die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts zu erzählen. Denn eines Tages wird Kraus erschlagen im Schnee liegen. In einer sechsteiligen Lesereihe präsentieren die Liberale jüdische Gemeinde München Beth Shalom und die Oskar-Maria-Graf-Gesellschaft Grafs Erzählung noch bis Juni jeweils am letzten Dienstag im Monat in der Giesinger Bar "Riffraff", Tegernseer Landstraße 96. Am kommenden Dienstag, 28. Januar, wird dort ein weiteres Kapitel des Buches aufgeschlagen. Beginn ist um 20 Uhr, der Eintritt zur Lesung ist frei.

Die Graf-Abende im Riffraff sind atmosphärisch ziemlich weitab von Vhs-Ambiente, und so mancher, der mittlerweile zum Stammpublikum gehört, hat noch nie ein Literaturhaus von innen gesehen. Was Oskar Maria Graf, dem Bäckersohn vom Ufer des Starnberger Sees, mutmaßlich recht gefallen hätte. Der trug ja bekanntlich auch in New York, das dem Exilierten zur Heimat wurde, seine gut abgesessene Lederhose und brüskierte einmal die Münchner Spießer, als er in selbigem Beinkleid 1958 zur 800-Jahr-Feier der Stadt im frisch wieder errichteten Cuvilliés-Theater zu einer Lesung antrat. Im Riffraff, so viel ist sicher, würden sie über einen lesenden Lederhosen-Träger sicher nicht in Rage geraten.

Über die Graf-Texte beugt sich in der Giesinger Bar regelmäßig Oliver Leeb, der den Autor "wegen seines rebellischen Wesens" schätzt und sich bei der Lesung mit Katrin Sorko abwechselt, die wie er dem Vorstand der Münchner Oskar-Maria-Graf-Gesellschaft angehört. Auch Musik gibt es dort: Josef Eder und Simon Ackermann (Zwirbeldirn) finden da den passenden Graf-Ton. Ein bisserl derb, ein bisserl deftig, aber immer grundehrlich und sehr, sehr gescheit.

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