Giesecke & Devrient:Der Gelddrucker verliert seine Seele

Banknotendrucker ´Giesecke & Devrient"

100-Euro-Scheine vom Fließband: Vom kommenden Jahr an will das Münchner Unternehmen Giesecke & Devrient Banknoten nur noch in Leipzig drucken.

(Foto: dpa)
  • Die Münchner Firma Giesecke & Devrient (G & D) produziert künftig keine Banknoten mehr in der Prinzregentenstraße. Möglicherweise wird der Standort ganz aufgegeben.
  • Künftig sollen nur noch 1700 statt bislang 2500 Mitarbeiter beschäftigt werden.

Von Caspar Busse

Tief unter der Erde, unterhalb des Grundwasserspiegels, befindet sich eine große Halle, gesichert durch schwere Panzertüren. Es ist eine Art überdimensionaler Tresor, in dem die wertvollen Erzeugnisse bis zum Abtransport gelagert werden können. Diese werden oben in der Druckerei hergestellt, auch die gleicht einem Hochsicherheitstrakt und ist nur einem kleinen Kreis von Mitarbeitern zugänglich. Der Grund für die Geheimhaltung: Die Münchner Firma Giesecke & Devrient (G & D) produziert hier am östlichen Ende der Prinzregentenstraße Banknoten - unter anderem den Euro, aber auch Geldscheine für viele andere Staaten der Erde.

Aber nicht mehr lange. Die Bankennotenherstellung in München wird im kommenden Jahr eingestellt, teilte G & D vor zwei Wochen überraschend mit. Etwa 300 Mitarbeiter verlieren alleine dadurch ihren Job. Insgesamt wird das Unternehmen im Rahmen eines umfangreichen Sanierungsprogramms 950 Arbeitsplätze streichen, zwei Drittel davon in München, und zusätzlich weitere Jobs verlagern. Betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgeschlossen. Einen solchen Kahlschlag hat es bei dem Traditionsunternehmen noch nie gegeben. "Dies ist ein schmerzhafter Schritt für uns, der aber dringend nötig ist", sagt G & D-Chef Walter Schlebusch.

Steht der Standort auf dem Spiel?

Und es sind weitere gravierende Veränderungen geplant. G & D prüft nach SZ-Informationen nun auch die Aufgabe des gesamten Standorts an der Prinzregentenstraße und den Umzug der Hauptverwaltung an eine andere Stelle. Nach der geplanten Schließung und Verlagerung von Unternehmensteilen würden Flächen frei, teilte eine G & D-Sprecherin dazu mit. Der Standort sei deshalb "in dieser Form nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben". "Die Geschäftsführung wird 2015 ein Nutzungskonzept erarbeiten", kündigte die Sprecherin an. Einzelheiten gebe es noch nicht.

Wo G & D dann künftig seinen Sitz haben könnte, ist offen. "Wir bekennen uns klar zum Standort München", teilte Konzernchef Schlebusch lediglich mit. Fraglich ist, ob sich G & D außer- oder innerhalb der Stadtgrenzen ansiedelt. In der Stadt sind große Büroflächen derzeit zumindest sehr gefragt. Zuletzt verlegten beispielsweise der Lichtkonzern Osram und Microsoft Deutschland ihre Hauptverwaltung in den Norden der Stadt.

Die Immobilien an der Prinzregentenstraße gehören zumindest dem Unternehmen - wieder. Vor mehr als zwei Jahren hatte G & D diese zurückerworben, davor gehörten die Gebäude und Flächen einer Holding der Inhaberfamilie von Verena Mitschke-Collande. Ein Verkauf könnte durchaus lukrativ für das angeschlagene Unternehmen sein. Denn die Immobilien im Osten des teuren Stadtteils Bogenhausen gelten als attraktiv. Die Gegend um den Vogelweideplatz wird derzeit städtebaulich aufgewertet, unter anderem mit einer Straßenbahnlinie. Zudem ist der Bau mehrerer Hochhäuser geplant.

Ein Wegzug von G & D wäre ein tiefer Einschnitt: Inzwischen 55 Jahre, seit 1959, sitzt das Unternehmen am Vogelweideplatz im Münchner Osten. Gegründet wurde es 1852 in Leipzig von Hermann Giesecke und Alphonse Devrient, schon damals als Banknotendruckerei. 1922 wurden erstmals Geldscheine für die Reichsbank hergestellt, 1936 produzierte die Firma beispielsweise alle Eintrittskarten für die Olympischen Spiele in Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelte Giesecke & Devrient nach München um, zunächst in provisorische Bürogebäude, 1959 an den jetzigen Standort. Dort wurde in den vergangenen Jahrzehnten mächtig ausgebaut. Nach der Wende 1991 erwarb G & D die zu DDR-Zeiten enteignete Wertpapierdruckerei Leipzig zurück, nur noch dort werden künftig Banknoten gedruckt.

Zahlreiche Job sind in Gefahr

Derzeit beschäftigt G & D etwa 2500 Mitarbeiter in München, den Großteil an der Prinzregentenstraße. Nach dem jetzt verkündeten Abbau sollen es künftig noch 1700 sein. Denn zum Abbau kommen Jobverlagerungen. Das Dienstleistungszentrum, in dem zum Beispiel Sicherheitskarten personalisiert werden, soll von München an einen kostengünstigeren Standort in Deutschland umziehen. Die Produktion für Banknotensicherheits-Systeme wird nach Louisenthal am Tegernsee verlagert, dort stellt G & D bereit das Sicherheitspapier für Geldscheine her. Auch in der Konzernverwaltung wird abgebaut. München werde trotzdem auch künftig "größter und wichtigster Standort" bleiben, betonte Schlehbusch. Weltweit hat G & D 11 600 Mitarbeiter, der Umsatz lag zuletzt bei 1,75 Milliarden Euro.

Schon länger hat die Firma zu kämpfen. Immer wieder wurden Prognosen verfehlt, die Konkurrenz im Banknotendruck wird härter. Zuletzt gab es nur einen Mini-Gewinn, die Ausschüttung an die Gesellschafter fiel aus. 2013 wird ein Verlust nicht ausgeschlossen. G & D ist in Besitz von Verena Mitschke-Collande und ihrer vier Kinder. Sie unterstütze den Kurs, heißt es.

Unruhe in der Belegschaft

Möglicher Umzug, Sanierung, deutlicher Stellenabbau - die Unruhe im Unternehmen ist angesichts der Veränderungen erheblich. "Über die Dimension waren wir sehr überrascht", sagt Walter Bogner. Der Betriebsratsvorsitzende von G & D kritisiert das radikale Vorgehen der Geschäftsführung. "Wir müssen vorher die hausgemachten Probleme lösen", fordert Bogner. Der Konzern habe in den vergangenen Jahren die Strukturen eines international tätigen Unternehmens geschaffen, die seien aber "ein paar Nummern" zu groß ausgefallen. Die angekündigte Schließung der Banknoten-Druckerei sei heftig. Die sei "die Seele des Unternehmens" gewesen.

Auch die Gewerkschaft ist alarmiert. "Wir sehen es als unsoziales Verhalten, eine derartig einschneidende Maßnahme zu beschließen und kurz vor Weihnachten den Betroffenen auf den Gabentisch zu legen", sagte Karl-Heinz Kaschel-Arnold von Verdi Bayern. Die Mitarbeiter wollen an diesem Dienstag protestieren. Auch das ist neu bei G & D.

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