Gewerbesteuer:Konzerne kassieren Rekord-Zinsen bei der Stadt

Süße Abgaben: Die Stadt München muss Unternehmen bei der Gewerbesteuer 14 Millionen Euro Zinsen zurückzahlen. Sechs Prozent sind drin.

J. Bielicki

Es sind keine gute Zeiten für Sparer. Nicht erst seit die große Krise ausgebrochen ist, verharren die Zinssätze im tiefen Tal. Wer sein Geld flexibel anlegen möchte, kann froh sein, wenn die Rendite überhaupt über die Ein-Prozent-Marke lugt - Angebote, die darüber hinausgehen, sind auf den Werbepostern oft mit einem Sternchen gekennzeichnet und im Kleingedruckten darunter mit Konditionen und Einschränkungen belegt.

Geld

Wer zu viel Gewerbesteuer zahlt, bekommt den überschüssigen Betrag verzinst.

(Foto: Foto: ddp)

Für Festgeld, drei Jahre eingefroren, gibt es ein bisschen mehr, einige wenige Banken zahlen sogar mehr als drei Prozent. Aber was ist das schon gegen sechs Prozent?

Sechs Prozent nämlich gibt es bei der Stadt. Nicht bei der Stadtsparkasse wohlgemerkt: Sogar beim sogenannten Extrazinssparen zahlt das städtische Institut im ersten Sparjahr müde 0,7 Prozent und nach fünf Jahren nur drei Prozent. Die knackige Rendite ist beim Stadtkämmerer selber zu haben - und zwar für übereifrige Gewerbesteuerzahler.

Wer nämlich zu viel Gewerbesteuer vorausgezahlt hat, und solche Leute soll es geben, bekommt mit dem endgültigen Bescheid nicht nur den zu viel gezahlten Betrag zurück, sondern diesen auch noch satt verzinst - mit eben sechs Prozent pro Jahr, genauer einem halben Prozent pro Monat. Einzige Einschränkung: Für die ersten 15 Monate, in denen das zu viel gezahlte Steuergeld in den Kassen der Kämmerei liegt, gibt es nichts.

Doch danach rentiert sich die Prachtverzinsung. Erst im Januar hat Stadtkämmerer Ernst Wolowicz eine Überweisung in Höhe von 113 Millionen Euro genehmigen müssen. Das Geld ging an ein großes, weltweit tätiges Münchner Unternehmen. Wie der vom Finanzamt ausgestellte Bescheid jetzt auswies, hatte der Konzern in den Jahren 2004 bis 2006 rund 99 Millionen Euro zu viel Gewerbesteuer an die Stadt abgeführt. Diesen Betrag bekam er jetzt zurück - plus ansehnliche 14 Millionen Euro Zinsen.

Dieser Zinssatz ist keine Münchner Spezialität. Er gilt bundesweit, und zwar immer dann, wenn es zwischen den Vorauszahlungen und den endgültigen Festsetzungen von Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu Differenzen kommt. Paragraph 238 der Abgabenordnung hat bereits 1977 den dann fälligen Zins auf eben "einhalb vom Hundert" für jeden Monat festgelegt. Und abgesehen davon, dass es heute "einhalb Prozent"heißt, ist es seither durch alle Hoch- und Niedrigzinsphasen dabei geblieben. Der Zins soll auch Ansporn für die Behörden sein, Steuererklärungen zügig zu bearbeiten.

Darauf, wie schnell die Finanzbürokratie einen Gewerbesteuerbescheid verschickt, hat die Stadt keinen Einfluss. Aber sie muss die Zinsen zahlen, wenn es in den staatlichen Finanzämtern und vor den staatlichen Gerichten länger als 15 Monate dauert. Vom Ergebnis des Verfahrens erfährt die Stadt nur per Brief vom Finanzamt.

Die 113-Millionen-Euro-Rückzahlung reißt freilich ein tiefes Loch in die Stadtkasse. Laut Haushaltsplan rechnet der Kämmerer in diesem Jahr mit 1,35 Milliarden Euro Einnahmen aus der Gewerbesteuer. "Das Jahr hat schlecht angefangen", klagt Wolowicz. Allerdings hat 2009 etwas weniger schlecht geendet, als er befürchtet hatte. Am Ende des Jahres erreichten die Stadtkasse noch unerwartete Steuernachzahlungen zweier Großunternehmen - insgesamt rund 200 Millionen Euro, inklusive Zinsen.

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