Gewaltdelikte in München:"Keineswegs sicherste Stadt"

Regelmäßig wird betont, wie sicher München ist. Immer wieder stören aber brutale Übergriffe das Bild, das die Stadt von sich zeichnen will.

J. Bielicki und B. Kastner

München wirbt nicht nur gerne mit dem Oktoberfest, dem FC Bayern und den nahen Bergen für sich, sondern auch mit dem Zusatz "sicherste Großstadt Deutschlands". Vor allem wenn die Polizei halbjährlich ihre Statistiken vorstellt, werden die führenden Beamten nicht müde, auch die gute Sicherheitslage an der Isar zu betonen.

Im merkwürdigen Kontrast steht dazu, womit München in den letzten Jahren in Sachen Sicherheit Schlagzeilen machte: Da wird 2004 ein 17-Jähriger im S-Bahnhof Stachus von einem jungen Mann getötet; da ist der Überfall in der U-Bahn auf einen damals 76-jährigen Rentner, der nur durch viel Glück überlebte - die beiden Täter wurden später wegen versuchten Mordes zu langen Haftstrafen verurteilt.

Prügelattacke vor Zeugen Erst im Sommer liefen Jugendliche aus der Schweiz in der Innenstadt geradezu Amok, schlugen und traten auf Passanten ein, von denen einer nur knapp dem Tod entging. Und nun die Tat am S-Bahnhof Solln: Ein 50-Jähriger verliert sein Leben, weil er Kinder vor zwei Gewalttätern schützen will. Die zwei jungen Männer prügeln am helllichten Samstagnachmittag vor vielen Zeugen auf ihr Opfer ein, bis es tödlich verletzt auf dem Boden liegt.

Ist München also gar nicht so sicher, wie die Verantwortlichen gerne tun? Naja, sagt Christian Pfeiffer, Chef des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen - und man merkt, dass es auf die Perspektive ankommt. Bundesweit sei die Jugendgewalt seit Jahren zurückgegangen.

Zahl der Gewaltdelikte stagniert Allein, in München sind die Deliktzahlen nach Pfeiffers Auswertungen aber nicht gesunken. Hier sei eine Stagnation zu beobachten, und bei der kleinen Gruppe der jugendlichen Intensivtäter gar ein leichter Anstieg. "München ist also keineswegs die sicherste Stadt", sagt Pfeiffer. Aber wirklich unsicher sei es in München natürlich auch nicht. "Kein Drama" seien die Münchner Zahlen.

Dass ausgerechnet die Hauptstadt des CSU-regierten Bayern seit Jahren wegen besonders spektakulärer Gewalttaten Schlagzeilen macht, "das ist Zufall", betont Pfeiffer. Und dass die U-Bahn-Schläger vom Arabellapark solch eine Hysterie auslösten, habe an der Videoaufzeichnung gelegen, so dass die Bilder wochenlang im Fernsehen liefen. Und am damaligen Wahlkampf.

"Jeder einzelne dieser Fälle ist ein entsetzliches Verbrechen", sagt Oberbürgermeister Christian Ude, "doch es sind Einzelfälle mit einer jeweils völlig unterschiedlichen Entstehungsgeschichte, die uns bestürzen und Angst machen." Die polizeiliche Kriminalstatistik stützt die These, dass München nur zufällig immer wieder im Fokus steht.

Weniger Gewalt als in Berlin oder Hamburg Die Beamten registrierten im Jahr 2008 in München genau 3948 angezeigte Fälle von Gewaltkriminalität. Damit entfallen auf 100000 Einwohner 301 Straftaten, ganz deutlich weniger als in vergleichbaren Städten wie Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Stuttgart oder sogar Kiel.

Nur in Dresden, Chemnitz und Bielefeld müssen die Bewohner noch weniger um Leib und Leben fürchten als in München. Die Statistiken geben dem Oberbürgermeister auch recht, wenn er sagt, dass "der öffentlich Nahverkehr, ob in der U-Bahn oder der S-Bahn, in München wirklich sehr sicher ist."

Tatsächlich verzeichnete die Polizei im Jahr 2008 genau 251 Gewaltdelikte in Bussen, Bahnen und auf Bahnsteigen, 75 weniger als noch im Jahr zuvor. Zum Vergleich: Immerhin zählt der MVV rund 618 Millionen Fahrgäste jährlich. Allerdings hat die Polizei nach der brutalen, durch die Videobilder bundesweit Aufsehen erregenden Schlägerattacke auf dem U-Bahnhof Arabellapark ihre Präsenz im Nahverkehrsnetz auch um mehr als ein Drittel erhöht.

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